ANZEIGE

ANZEIGE

"Viele Brands besitzen bislang keine systematischen Kundenkontakte"


Ralph Hübner, Partner bei der Unternehmensberatung Ecom Consulting in München (Foto: Ecom)

Markenartikler suchen zunehmend den Direktkontakt zu den Kunden und steigen in den Direktvertrieb ein. Mit Ralph Hübner, Partner bei der Ecom Consulting GmbH, sprach markenartikel-magazin.de darüber, wie Brands dank hoher D2C-Anteile ihre Abhängigkeit vom Handel verringern können, warum Marken so ihre Endkunden besser kennenlernen und welche Fallstricke es bei der Erarbeitung einer Direktstrategie zu vermeiden gilt.

markenartikel: Sie sagen, dass der Direktvertrieb der Marken den E-Commerce auf den Kopf stellen wird. Wie meinen Sie das?
Ralph Hübner: Waren bislang im E-Commerce vor allem Händler, Start-ups und die großen Player wie Amazon oder Zalando beteiligt, so gesellt sich jetzt zunehmend auch die große Schar der Hersteller im B2C wie B2B dazu. Das erhöht den Wettbewerbsdruck und verändert sowohl die Customer Journey als auch die allgemeinen Spielregeln. Wer hat den Kontakt zum Kunden und kann die Daten aus der Customer Journey bestmöglich modellieren und verwerten? Bislang standen meist Gatekeeper wie Amazon zwischen den Brands und den Kunden und wenige Her-steller wussten den Direktkontakt zu den Kunden gut zu managen. Doch einige Brands ziehen nun nach. Sehen Sie sich Nike an. Nike hat den Handel über Amazon wieder eingestellt und will sich stattdessen auf den Direktkontakt mit den Kunden fokussieren.

markenartikel: Warum ist es für Marken sinnvoll, in den Direktvertrieb einzusteigen?
Hübner: Mehrere Gründe sprechen dafür. Die wichtigsten sind: Marken lernen ihre Endkunden besser kennen. Viele Brands besitzen bislang keine systematischen Kundenkontakte. Sie kennen ihre Endkunden nur aus der Marktforschung und aus der Erzählung von Händlern. Das ist unbe-friedigend in der heutigen Zeit – insbesondere aufgrund der verkürzten Produktzyklen, wo Ge-schwindigkeit zählt und man ein schnelleres Kundenfeedback benötigt. Ein zweiter Grund ist, dass vielen Marken die bestehenden Absatzkanäle wegbröckeln. Außerdem ist der Direktvertrieb ein Weg, sich weniger abhängig von Plattformen wie Amazon oder dem klassischen Handel zu machen. Ganz allgemein ist es natürlich sinnvoll, direkt am Wachstumsmarkt E-Commerce zu partizipieren. Wichtig ist jedoch auch, zwischen Direktkontakt und Direktvertrieb zu unterschei-den und die individuell richtige Direkt-Variante zu ermitteln.

markenartikel: Können Sie das erläutern?
Hübner: Im Direktkontakt lernen Unternehmen die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden ken-nen, ohne die gesamte Systeminfrastruktur aufbauen zu müssen. Viele Marken handhaben es derzeit so, dass sie zunächst den Endkundenkontakt und einen sanften Einstieg in den Direktver-trieb wie zum Beispiel über den Verkauf auf einem Marktplatz etablieren, anschließend eine ent-sprechende Organisationsstruktur aufbauen und dann, wenn alles steht und läuft, voll in den Di-rektvertrieb einsteigen. Eine solche Aufbauphase dauert mindestens zwei Jahre. Denn die we-nigsten Marken bringen die nötigen Kompetenzen, Systeme, Prozesse, Logistik und Erfahrung mit.

markenartikel: Welche Risiken gibt es aber auch, wenn man sich dafür entscheidet, selbst in das Geschäft einzusteigen?
Hübner: Das meistgenannte ist natürlich das Kannibalisierungsrisiko, sprich: der Konflikt mit den eigenen Händlern. Doch das Pulverfass liegt meist im eigenen Keller: Intern stellen sich der Ver-trieb, das Marketing oder andere Abteilungen hartnäckig quer und verhindern damit den Einstieg in den Direktkontakt beziehungsweise -vertrieb. Das aus meiner Sicht und Projekterfahrung grö-ßere Risiko ist jedoch, dass der Aufwand und die Notwendigkeit unterschätzt werden, eine echte Direktstrategie zu erarbeiten. Unternehmen erkennen oftmals die Relevanz von Systemen und Prozessen nicht und sind dann überrascht, wenn der Endkunde sich wegen der schlechten Leis-tung oder des mangelhaften Service beschwert.

markenartikel: Was sollten Marken beachten, die den Schritt in den Direktvertrieb planen?
Hübner: Es gibt so viele Fallstricke wie es Unternehmen gibt. Jeder Fall liegt anders. Die wich-tigsten Aufgaben bestehen darin, die passende Direktvariante auszuwählen und den Aufbau zu planen. Jedes Unternehmen muss den für sich und heute besten Weg bestimmen oder einen passenden Mix verschiedener Einstiege zusammenstellen. Eine Mischung aus vielen Ansätzen und Tests, was am besten funktioniert, ist die beste Variante.

markenartikel: Welche Fallstricke gilt es noch zu vermeiden?
Hübner: Die Rolle des Topmanagements ist entscheidend: Die leitende Ebene muss nicht nur hinter dem Projekt stehen, sondern es von Anfang bis Ende aktiv führen. Elementar ist auch, den Zeit- und Investmentbedarf realistisch einzuplanen. Direct-to-Customer, kurz D2C, ist quasi das gleiche Abenteuer, wie die Expansion in ein weiteres Land. Wenn man das nicht entsprechend mit Zeit- und Kapitalaufwand unterfüttert, sind frustrierte und demotivierte Mitarbeiter meist das erste Ergebnis. Zu guter Letzt müssen Prozesse und Systeme sowie das Personal neu auf ei-nander eingestimmt werden.

markenartikel: Warum?
Hübner: Das bisherige Set-up ist in 99 Prozent der Fälle nicht leistungsfähig sondern führt viel-mehr zu Überlastung und Überforderung der Menschen. Stellen Sie sich vor, dass alle Daten händisch in Excel eingepflegt werden müssen. Das wäre eine wirtschaftliche Zumutung.

markenartikel: Für wen eignet sich dieses Vorgehen mehr und für welche Marken viel-leicht auch nicht?
Hübner: Für jede Marke ist es heutzutage sinnvoll, direkt mit seinen Kunden zu interagieren und daraus dann Erkenntnisse zu ziehen. Grundsätzlich kommt es vor allem auf die Zielstellung an: Wenn man in fünf Jahren die Hälfte des Umsatzes direkt machen möchte, ist das etwas anderes, als wenn man eine neue Serie launchen oder direkt in Kontakt zu einer neuen Zielgruppe kom-men will.

markenartikel: Welche Erfolgsbeispiele gibt es, die Sie besonders hervorheben können?
Hübner: Jede Erfolgsstory hat seine Haltbarkeit. Nokia war einmal eine. Das Kettcar auch. Inso-fern bin ich da sehr vorsichtig mit Best Practice. Heute im Zeitalter von Direct-to-Customer sind sicherlich Dyson und iRobot oder aus der Riege der ganz großen Marken Adidas und Nike zu nennen. Diese Brands sind dank hoher D2C-Anteile nicht mehr so abhängig vom Handel wie das vor zehn Jahren noch der Fall war. Aber sehen Sie sich die Pioniere von einst im Direktvertrieb an: Tupperware und Thermomix zum Beispiel suchen gerade nach neuen Wegen für ihr Busi-ness. Wesentlich spannender und lehrreicher sind oft die Beispiele vieler kleiner Player, soge-nannter DirectBrands.

markenartikel: Wer fällt Ihnen hier ein?
Hübner: Die sind oft D2C, also direkt gestartet und nun auch in der breiteren Fläche distribuiert: Aleon Cases im Koffermarkt, Nuki im Bereich Smart Home oder On Running im Sport. ImKos-metikmarkt wimmelt es nur so von neuen Brands, die sich ihre Zielgruppen per Facebook, Insta-gram und Pinterest suchen und aufbauen und dann auch bei Douglas oder dm andocken. Da sind viele tolle Lehrbeispiele dabei.




zurück

vg 12.03.2020