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Unternehmer handeln oft gegen eigenes Umweltbewusstsein

Viele Unternehmer versprechen nachhaltiges Wirtschaften und treffen dennoch Entscheidungen, die der Natur schaden. Wirtschaftswissenschaftler haben nun herausgefunden, dass viele Firmenchefs ihr Umweltbewusstsein keineswegs vortäuschen – aber ihre Handlungen unbewusst von ihren Werten entkoppeln. Besonders anfällig dafür sind Unternehmenslenker, die sich selbst als sehr einflussreich wahrnehmen oder sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld befinden.

Sie geloben, die Umwelt zu schonen und kleben Ökosiegel auf ihre Produkte. Aber dann stellt sich heraus, dass sie doch Produkte verkaufen, die zu viele Pestizide oder Palmöl aus Regenwaldgebieten enthalten. Entscheiden die Unternehmer dabei nach einer rationalen Nutzen-Abwägung? Oder spielt unbewusstes Verhalten eine größere Rolle im unternehmerischen Handeln als oft angenommen? Unter welchen Bedingungen richten sich Unternehmer nicht nach ihren eigenen Wertvorstellungen? Um das herauszufinden, haben Wirtschaftswissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), der Indiana University und der Oklahoma State University rund 100 deutschen Firmengründern mehrere Entscheidungsszenarien vorgelegt.

Die Unternehmer sollten verschiedene Geschäftsmöglichkeiten nach mehreren Gesichtspunkten bewerten. Dabei wurde zum einen ermittelt, wie attraktiv die jeweilige Geschäftsmöglichkeit ist. Zum anderen wurden Umstände wie Auswirkungen auf die Umwelt, der Respekt der Befragten für die Natur, die Selbsteinschätzung der eigenen unternehmerischen Wirksamkeit oder die Wahrnehmung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens erhoben. Anhand der miteinander verknüpften Variablen dieses sogenannten Conjoint-Experiments konnten die Forscher auf den Einfluss verschiedener kognitiver Ebenen bei der Entscheidungsfindung schließen.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass auch Unternehmer mit großem Respekt für die Natur Entscheidungen trafen, die Umweltschäden auslösten. Dabei folgten die Entscheidungen aber nicht einer bewussten Abwägung. "Die Testpersonen haben vielmehr unbewusst die Beziehung zwischen Werten und Handlungen neu justiert – sodass ihre Handlungen wieder mit ihren Werten übereinzustimmen schienen", erklärt Prof. Holger Patzelt vom Lehrstuhl für Entrepreneurship der TUM.

Diese Entkopplung beobachteten die Forscher aber nicht bei allen Unternehmern. Ausschlaggebend waren zwei Bedingungen: ein großes unternehmerisches Selbstbewusstsein der Firmenchefs und ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld der Unternehmen. Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass im Gegenteil Unternehmer mit geringem Selbstbewusstsein eher in Konflikt mit ihren eigenen Werten geraten.

Die Ergebnisse der Studie 'I care about nature, but ...' erklärt Patzelt so: "Firmenlenker, die ihre eigene Wirksamkeit sehr hoch einschätzen, wollen Einfluss nehmen. Deshalb laufen sie eher Gefahr, Werte auszublenden, die ihre Handlungsoptionen einschränken. Das gleiche Prinzip gilt unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen, also etwa einer zugespitzten Konkurrenzsituation des Unternehmens. Auch dann glauben die Chefs, dass es auf ihre Entscheidungen besonders ankommt."

Unternehmern könnte das Wissen über die unbewussten Entscheidungsmechanismen helfen, sich ihre eigenen Handlungsstrategien stärker zu vergegenwärtigen. Nicht zuletzt hoffen die Wissenschaftler, dass die Studienergebnisse die Ausbildung verändern. "Bislang versuchen wir, künftigen Unternehmern im Wirtschaftsstudium ein hohes Maß an unternehmerischem Selbstbewusstsein zu vermitteln", sagt Patzelt. "Jetzt wissen wir, dass wir damit auch ungewollte Folgen auslösen können."


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vg 13.05.2013