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Dezentralisiertes Lohnfindungssystem als Erfolgstreiber

Der Wandel Deutschlands vom "kranken Mann Europas" zu einer dynamischen und wettbewerbsstarken Volkswirtschaft wird oft auf eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zurückgeführt, vor allem auf die nach 2002 durchgeführten Hartz-Reformen. Einer neuen Studie zufolge, die jetzt im Journal of Economic Perspectives erschienen ist, ist dieser Erfolg jedoch vielmehr auf die Flexibilität des deutschen Lohnfindungssystems zurückzuführen, insbesondere auf die Tarifautonomie. Diese erlaubte eine Dezentralisierung des Lohnfindungsprozesses und habe dadurch zu einer dramatischen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Volkswirtschaft beigetragen.

Die Forschungsergebnisse haben laut den Autoren wichtige Implikationen dafür, welche Lehren sich aus der deutschen Erfolgsgeschichte für die von der Wirtschaftskrise gezeichneten Volkswirtschaften Südeuropas ziehen lassen. Professor Christian Dustmann, einer der Autoren der Studie, sagt: "Wir glauben nicht, dass der politische Prozess alleine - ohne die im Rahmen der Tarifautonomie existierenden Flexibilitätsspielräume - in der Lage gewesen wäre, die dramatische Dezentralisierung der Lohnfindung in Deutschland herbeizuführen, welche letztendlich für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit entscheidend war. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Italien und Frankreich, ist die Lohnfindung von weitaus zentralisierteren und gesetzlich stärker verankerten Arbeitsmarktinstitutionen geprägt als in Deutschland. Reformen sind daher viel stärker vom politischen Prozess abhängig. Ob diese Länder in absehbarer Zeit eine ähnliche Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit wie Deutschland erreichen können, ist daher fraglich."

Tarifautonomie als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie: Die Hauptursache für Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg ist die besondere Struktur der industriellen Beziehungen, geprägt durch die Tarifautonomie, in der Verdienste und Arbeitsbedingungen nicht zentral rechtlich geregelt sind, sondern vielmehr durch Verträge und Vereinbarungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften bzw. zwischen Unternehmensleitungen und Betriebsräten festgelegt werden.

Diese Flexibilität wurde offensichtlich im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung unter den extremen wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Wiedervereinigung und die einsetztende Globalisierung und erlaubte eine zunehmende Dezentralisierung der Lohnverhandlungen und im Ergebnis erhebliche Lohnzurückhaltung, so die Studie.

In der Folge fielen die Lohnstückkosten in Deutschland flächendeckend über alle Industriezweige, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie deutlich verbessert habe.

Hartz-Reformen spielten keine wesentliche Rolle

Die Hartz-Reformen (2002-2005) spielten laut den Autoren keine wesentliche Rolle in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Der Prozess der Dezentralisierung der Lohnsetzung und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hatte schon ein Jahrzehnt zuvor, etwa Mitte der 90er-Jahre, begonnen.

Als Lehre aus diesen Erfahrungen in Deutschland sollte den Autoren zufolge ein besonderes Augenmerk auf solche Arbeitsmarktreformen gelegt werden, die das System der industriellen Beziehungen daraufhin verändern, dass Lohnverhandlungen dezentral auf Firmenebene stattfinden, gleichzeitig aber Mitspracherechte für Arbeitnehmer (etwa über Betriesbräte) gesichert sind.

Die Studie "From Sick Man of Europe to Economic Superstar: Germany’s Resurgent Economy" der Wirtschaftsforscher Christian Dustmann (University College London), Bernd Fitzenberger (Universität Freiburg), Uta Schönberg (University College London) und Alexandra Spitz-Oener (Humboldt-Universität zu Berlin) umfasst eine detaillierte Analyse der Umstände, die zu dem viel beachteten Wandel der deutschen Volkswirtschaft beigetragen haben. Die volle Studie ist erhältlich als CReAM Diskussionspapier No 06/14 unter dem Link http://www.cream-migration.org/publ_uploads/CDP_06_14.pdf.


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vg 03.02.2014