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Banking: Filialgeschäft vor gewaltigem Umbruch

Positive Signale, die auf eine Erholung des Filialgeschäfts hindeuten, sind rar. Zwar wird die negative Ertragsentwicklung im deutschen Retailbanking 2014 die Talsohle erreichen, deutliche Wachstumsimpulse sind jedoch frühestens für 2018 zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommt die Boston Consulting Group (BCG) in ihrer aktuellen Ausgabe der 'Retail Banking Revenue Pools' für das Jahr 2014. Die jährlich veröffentlichte Untersuchung modelliert die Entwicklung der Produkte des Retailbanking-Marktes in Volumen und Erträgen.

Die BCG-Experten haben untersucht, wie sich die verstärkte Nutzung digitaler Geräte wie Smartphones und Tablets bei Beratung, Verkauf und Service von Bankprodukten auf die Wirtschaftlichkeit des klassischen Filialgeschäfts auswirkt. Diese Entwicklung findet besonders im privaten Massenkundensegment statt, wo Kunden aus Preisgründen – sowie zunehmend auch aus Qualitäts- und Servicegründen – verstärkt auf alternative Kanäle und zu alternativen Anbietern wechseln.

2014 belaufen sich die Erträge, die dem Filialgeschäft im Massenkundensegment zugeschrieben werden können, in Deutschland auf ca. 18 Milliarden Euro; das entspricht rund 70 bis 80 Prozent der Segmenterträge, so BCG. Nach Abzug von Betriebs- und Risikokosten verbleibe ein Deckungsbeitrag von gerade einmal 500 Millionen Euro. Der Anteil der jährlichen Neuerträge, die über Filialen durch die Akquisition neuer Kunden oder die Ausschöpfung von Bestandskunden generiert werden, betrage bereits 2014 lediglich 66 Prozent und werde bis 2018 auf 54 Prozent zurückgehen. Damit werde sich das Gesamtvolumen der durch Filialgeschäft induzierten Erträge bis 2018 auf 14 Milliarden Euro reduzieren – ein Rückgang um 23 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre.

"Klassische Maßnahmen zur Erreichung von Ertrags- und Effizienzsteigerungen sowie Kostensenkungen werden nicht ausreichen, um die Belastungen für Banken im Filialgeschäft in erträglichem Rahmen zu halten", sagt Reinhard Messenböck, Partner und Retailbanking-Experte bei BCG. "Aus unserer Sicht zeichnet sich das Ende des klassischen Filialgeschäfts ab. Um das Ergebnis aus dem Massenkundengeschäft auch nur näherungsweise in den positiven Bereich zu führen, müssten bereits bis 2018 mindestens 35 bis 40 Prozent der Flächenkosten eingespart werden." Das würde bedeuten, dass ca. 12.000 bis 15.000 der heutigen 36.000 Filialen und Zweigstellen in Deutschland geschlossen werden müssten, um über die Reduktion der Personal- und Raumkosten in der Flächen-präsenz die notwendigen Kosteneinsparungen zu erzielen.

"Banken müssen ihre Filialkonzepte auf den Prüfstand stellen – unter Berück-sichtigung der verschiedenartigen Kundenbedürfnisse, der stark regional verstreuten Ertragspotenziale sowie der neuen technischen Möglichkeiten in Service und Beratung", so BCG-Partner und Retailbanking-Experte Til Klein. "Das Filialnetz ist in der Breite nur überlebensfähig, wenn alle Standorte ihre Funktionen und Ausstattung bei Beratung, Verkauf und Service konsequent am Nutzungsverhalten der Kunden ausrichten. Dazu müssen auch digitale Technologien in Filialkonzepte integriert werden."

Das künftige Filialkonzept sieht eine starke Differenzierung der Filialformate vor. Dies geht einher mit kleineren, gegebenenfalls flexibleren Standorten, weniger Personal, mehr Automatisierung und deutlicher Fokussierung auf den Vertrieb, so die BCG-Autoren. Beratung zu komplexeren Finanzfragen werde dann nicht mehr an allen Standorten angeboten, stattdessen erfolge eine Trennung von Beratung und Service. Die BCG-Experten sehen im Zielbild noch ca. 20.000 bis 25.000 Filialen in Deutschland. Klassische Beratung werde dabei nur noch in maximal 40 bis 50 Prozent der Standorte stattfinden.

Die Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass der Trend sinkender Erträge im Privatkundengeschäft deutscher Banken 2014 zum Stillstand kommen wird. Die BCG-Experten rechnen für 2014 mit einem leichten Zugewinn von 0,5 Prozent auf 55,7 Milliarden Euro, nachdem im Jahr 2013 die Erträge noch um rund vier Prozent rückläufig waren. Nachhaltige Wachstumsimpulse sind der Analyse zufolge erst nach 2017 zu erwarten: So lange wird es laut BCG dauern, bis die tiefgreifenden Auswirkungen, welche das niedrige Zinsniveau, das neue regulatorische Umfeld und das veränderte Kundenverhalten bewirkt haben, in Markt und Wettbewerb voll verarbeitet sind. In den nächsten Jahren werde das Ertragspotenzial im Privatkundengeschäft im Durchschnitt rund 56 Milliarden Euro betragen. Das seien immer noch zehn Milliarden Euro oder 15 Prozent weniger als im letzten Vorkrisenjahr 2008.

Auf der Kreditseite sind leichte positive Wachstumsimpulse in der Bau- und der Konsumentenfinanzierung zu erwarten, schreiben die BCG-Autoren. Auf diese wichtigsten Finanzierungsprodukte entfielen 2013 rund 16 Milliarden Euro oder ca. 30 Prozent der gesamten Erträge im Privatkundengeschäft. Aufgrund einer geringfügigen Ausweitung der Marktvolumina prognostiziert das BCG-Modell für 2018 Erträge von ca. 17 Milliarden Euro, davon fast zehn Milliarden im Konsumentenkreditgeschäft.

Die Ertragsentwicklung bei Spar- und Anlageprodukten wird laut BCG in den nächsten Jahren weiter von dem niedrigen Zinsniveau, der hohen, wenn auch rückläufigen Sparquote privater Haushalte und einer unveränderten Zurückhaltung gegenüber Wertpapieranlagen geprägt sein. Auch wenn die deutschen Privathaushalte in den nächsten fünf Jahren knapp 800 bis 1.000 Milliarden Euro an Sparleistung erbringen und diese zu ca. 40 Prozent im Spar- und Anlagebereich anlegen, werden die Erträge aufgrund veränderter Produktpräferenzen und allgemeiner Margendegression nur um jährlich 1,4 Prozent wachsen.

Im Sparbereich erwarten die BCG-Experten bis 2018 jährliche Zuwächse von zwei Prozent. Der Effekt der langfristigen Ertragssteigerungen basiere im Wesentlichen auf positiven Impulsen aufgrund einer für 2017/2018 antizipierten steigenden Zinskurve. In der Zwischenzeit können sich die Banken bestenfalls über eine Stabilisierung der Zinserträge freuen – was nach Margenrückgängen von teilweise 20 Prozent jährlich für einzelne Sparprodukte in den vergangenen Jahren zumindest ein wenig Luft zum Atmen schafft, so BCG. Besonders starkes Volumenwachstum – sowohl aus neu angesparten Vermögen als auch aus aktiver Umschichtung – erfolge in den kurzfristigen Sparformen bei Girogeldern und Tagesgeld (bis zu zehn Prozent pro Jahr): Aufgrund mangelnder Anlagealternativen und Unsicherheit über künftige Zinsentwicklungen entscheiden sich viele Anleger weiterhin für Liquidität.

Im Anlagegeschäft wird aufgrund massiver Umschichtungen zwischen den Produkten und infolge regulatorischer Einschnitte lediglich ein minimales Ertragswachstum von 0,4 Prozent erwartet – das ist immerhin ein Silberstreif am Horizont nach Ertragsrückgängen im Zuge der Finanzkrise von durchschnittlich 4,7 Prozent pro Jahr seit 2008, meinen die BCG-Analysten. Kunden sehen trotz positiver Marktentwicklung das Anlagegeschäft immer noch kritisch, und strukturelle Verschiebungen in niedrigmargige Produkte wie beispielsweise Exchange-Traded Funds (ETFs) reduzieren weiterhin die Durchschnittsmarge auf den Bestand.

Die 'BCG Retail Banking Revenue Pools' basieren auf einer proprietären Datenbank, die es ermöglicht, Ertragspotenziale mit hoher Granularität nach Kundensegmenten, Produkten und Regionen zu analysieren und zu prognostizieren. Neben öffentlichen Quellen basiert diese Datenbank vor allem auf Benchmarks und Expertenwissen zu Produktvolumina und -margen sowie zu deren Entwicklung.


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vg 29.04.2014