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EU-Kommission: Wenig Konzentration im Lebensmittelhandel

Die Europäische Kommission hat die Ergebnisse einer Studie über die Entwicklung von Angebot und Innovation bei Lebensmitteln in den vergangenen zehn Jahren in Europa bekanntgegeben. Den Ergebnissen zufolge geht der Markteintritt neuer Wettbewerber stets mit einer größeren Auswahl und mehr Innovation einher. In vielen Mitgliedstaaten sind die Einzelhandelsmärkte nicht übermäßig konzentriert, so dass die Verhandlungsmacht der Einzelhändler keine negativen Auswirkungen auf Angebot und Neuerungen zu zeigen scheint, schreiben die Autoren. Während die Auswahl, die die Europäer im Einzelhandel haben, seit 2004 beständig zugenommen habe, sei die Zahl der Neuerungen, die die Verbraucher jedes Jahr erreichten, seit 2008 rückläufig. Dies sei vor allem auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte: "Die Europäer sollten gute Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen kaufen können. In den vergangenen fünf Jahren haben die Akteure viele Fragen hinsichtlich der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette aufgeworfen. Um deren Bedenken beurteilen zu können, brauchen wir harte Fakten, insbesondere zu den Auswirkungen der Verhandlungsmacht und der Eigenmarken großer Einzelhandelsketten. Diese Studie liefert wichtige Erkenntnisse und ebnet den Weg für die künftige Arbeit zu diesen Aspekten."

Entwicklung von Konzentration, Angebot und Innovation

Auf lokaler Ebene hat sich laut Studie die Auswahl für die Verbraucher in den vergangenen zehn Jahren im Hinblick auf Anzahl der Geschäfte, Produkte, Markenhersteller und angebotene Produktgrößen kontinuierlich erhöht. Allerdings sei der Umfang der Neuerungen, die jedes Jahr die Verbraucher erreichen, seit 2008 um 6,5 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2004 bestanden diese Neuerungen im Wesentlichen aus völlig neuen Produkten und Sortimenterweiterungen (z. B. neue Geschmackssorten), während im Jahr 2012 rund ein Drittel aller Neuheiten lediglich die Aufmachung des Produkts betraf, heißt es in der Studie.

Die Konzentration der Markenhersteller auf nationaler Ebene hat laut der Untersuchung bei den meisten untersuchten Produktgruppen zugenommen. In fast allen Mitgliedstaaten ist die Konzentration des Einzelhandels insgesamt (d. h. moderner Einzelhandel und traditionelle Geschäfte) gestiegen. Dies erkläre sich insbesondere aus der zunehmenden Verbreitung des modernen Einzelhandels (Supermarktketten, Verbrauchergroßmärkte und Discounter mit zentralisiertem Vertriebssystem und moderner Logistik). Die Konzentration des modernen Einzelhandels habe in einigen Mitgliedstaaten zugenommen, während sie in anderen zurückgegangen sei. Auf lokaler Ebene scheine die Konzentration des modernen Einzelhandels im Durchschnitt leicht zurückzugehen, weil die Hauptketten in die lokalen Märkte ihrer Wettbewerber eingetreten seien.

Entscheidende Faktoren für Auswahl und Innovation

Die wichtigsten Faktoren für Angebot und Neuheiten waren die Größe und die Art der Geschäfte und das wirtschaftliche Umfeld (BIP/Kopf und Arbeitslosigkeit in dem betreffenden Gebiet). Je höher der Umsatz in einer Produktkategorie, desto größer ist die Auswahl (und in geringerem Maße die Innovation) in dieser Kategorie, schreiben die Autoren. Die Eröffnung eines neuen Geschäfts führe dazu, dass die konkurrierenden Geschäfte mehr Auswahl und Neuheiten in ihre Regale bringen. Dies spreche für die Bemühungen der Kommission, unnötige Beschränkungen für die Einrichtung von Einzelhandelsgeschäften abzuschaffen.

Auf mäßig konzentrierten Einzelhandelsmärkten scheine die stärkere Verhandlungsposition der Einzelhändler gegenüber den Lieferanten nicht zu weniger Auswahl und Neuerungen bei Lebensmittelprodukten zu führen. Aufgrund mangelnder Daten war es nicht möglich, Fälle zu untersuchen, in denen eine hohe Konzentration des modernen Einzelhandels vorliegt (wie etwa in den skandinavischen und baltischen Staaten), so die Autoren. Darüber hinaus habe der Anteil der Eigenmarken am Sortiment erst dann wesentliche Auswirkungen, wenn ein hohes Niveau (je nach Kategorie) erreicht ist, da sich dies nachteilig auf Angebot und Neuheiten auswirken könnte.

Kommission fordert zu Stellungsnahme auf

Alle Stellungnahmen sind, vorzugsweise vor dem 30. Januar 2015, an COMP-E-TF-FOOD@ec.europa.eu zu richten.

Hintergrund: Die Kommission hatte Beschwerden von Akteuren der Lebensmittelversorgungskette sowie Anträge des Europäischen Parlaments auf Prüfung der Auswirkungen der Konzentration in der Kette erhalten. Nach Angaben der Beschwerdeführer erlegen große Marktbeteiligte, insbesondere große moderne Einzelhändler, ihren Lieferanten vielfach nachteilige Bedingungen auf, so dass die Lieferanten nicht in der Lage sind, in neue Produkte zu investieren. Dies habe Angebot und Innovationsgrad im Bereich der Lebensmittel für die europäischen Verbraucher verringert.

Im Dezember 2012 hat die Kommission daher eine umfassende Studie zum modernen Einzelhandel in die Wege geleitet, um festzustellen, wie sich in den vergangenen zehn Jahren Auswahl und Innovation in den Regalen konkret niedergeschlagen haben. Im Rahmen der Studie wurde auch die Entwicklung einer Reihe von marktbestimmenden Faktoren beurteilt. Dabei sollte festgestellt werden, welche dieser Faktoren ausschlaggebend für Angebot und Innovation waren. Durchgeführt wurde die Studie von einem Konsortium aus Ernst & Young, Arcadia International und Cambridge Econometrics.

In einer großen Stichprobe von EU-Mitgliedstaaten (9) und über einen langen Zeitraum (2004-2012) wurden für eine große Bandbreite an Erzeugniskategorien (23) die Auswahl und die Neuerungen in über 300 Geschäften untersucht. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt elf Mio. Datensätze erfasst. Die Stichprobe der Studie umfasst nur Länder, in denen der moderne Einzelhandel leicht oder mäßig konzentriert ist; sie umfasst hingegen keine Länder mit einem stark konzentrierten modernen Einzelhandel (d. h. die skandinavischen und baltischen Staaten), da in diesen Ländern keine Daten für den lokalen Einzelhandel zur Verfügung standen.


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vg 14.10.2014