ANZEIGE

ANZEIGE

New Work: "Es ist ein tiefes Verständnis des Wandels notwendig"

Clemens Meiß ist geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur Get the Point, die auf Positionierung und Markenbildung spezialisiert ist (Foto: Get the Point)
Clemens Meiß ist geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur Get the Point, die auf Positionierung und Markenbildung spezialisiert ist (Foto: Get the Point)

Die Arbeitswelt verändert sich derzeit radikal. Das Thema New Work stellt Unternehmen dabei vor einige Herausforderungen. Mit Clemens Meiß, geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur Get the Point, sprachen wir darüber, warum es notwendig ist, dass Unternehmen den Sinn von Arbeit neu definieren, wieso man es oft nur mit pseudoinnovativen Lockangeboten zu tun hat und warum Werte wichtig sind, die das Handeln leiten.

markenartikel: New Work ist ein allgegenwärtiges Buzzword. Was bedeutet es aber eigentlich genau?

Clemens Meiß: Die Antwort darauf liefert ein Blick in die Vergangenheit: Die Quelle liegt tatsächlich im 19. Jahrhundert, als der Taylorismus für einen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt sorgte und die Basis schuf für das, was Karl Marx die 'Entfremdung der Arbeit' nannte: Die nicht denkende Erfüllung von Handgriffen. Ein System, das tief verankert wurde in der DNA der arbeitenden Bevölkerung. Mitte der 70er-Jahre provozierte der österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann die Arbeitswelt mit dem Theoriekonzept der Neuen Arbeit. Er postulierte nichts anderes, als dass Arbeit ein Mittel sein sollte. Dessen Zweck es ist, dass der Mensch sich darüber als freies Individuum verwirklichen kann. Eine Idee, die die nächsten Jahrzehnte in Schubladen verstaubte – bis es vor kurzem durch die Digitalisierung wieder aktuell wurde.

markenartikel: Und was ändert sich dadurch aktuell überhaupt konkret?

Meiß: Eigentlich alles. Es ist ein epochaler Umbruch des Sinns von Arbeit: eine Abwendung von der Entfremdung. Seiner Meinung nach soll jeder Mensch so arbeiten wie er "wirklich, wirklich will". Nicht so, wie es jemand oder ein System vorschreibt. Die Kernbegriffe sind Freiheit, Selbstbestimmtheit und Teilhabe in der Gemeinschaft. Es steht uns eine Symbiose von Arbeits- und Privatwelt bevor. Diese sollte eine stimmige Kombination darstellen, weil Arbeit Berufung sein und zum Sinn des Lebens beitragen sollte. Die Rolle der Unternehmen ist dabei die eines Organisators des Blendings. Dazu gehört die Organisation von Home Offices, Kitas, Health Care, Bildung und Begleitung in verschiedensten Lebensbereichen.

markenartikel: Get the Point hat zum Thema New Work ein Blackpaper veröffentlicht. Was gab den Ausschlag dafür?

Meiß: New Work unterliegt aktuell Verkürzungen und Vereinfachungen, die das Thema zwar besser greifbar machen, aber gleichzeitig den Sinn verwässern. Was den Begriff so schwer verdaulich macht, ist seine philosophische Basis und der breite Fächer des Denkens, der ihm zugrunde liegt. Es ist eine Geisteshaltung. Deshalb reicht es nicht aus, dass Arbeit Spaß macht und dafür zum Beispiel ein paar Home-Office-Plätze eingerichtet werden.

markenartikel: Sie sagen, Sie wollen mit der Idee aufräumen, Unternehmer könnten die Neue Arbeit als Mittel zum Zweck nutzen. Was meinen Sie damit?

Meiß: New Work steht derzeit in den Charts. Als Schlagwort für Innovation, für Arbeitgeberdifferenzierung. Darunter verkauft wird so ziemlich alles, was in irgendeiner Weise der Arbeitgebermarke zu mehr Attraktivität verhelfen könnte. Alles wird New Work genannt, um mit pseudoinnovativen Lockangeboten Arbeitnehmer zu gewinnen und zu binden. Oberflächlich und manipulativ – eben als Mittel zum Zweck. Die Digitalisierung mit all ihren Veränderungen macht es jedoch notwendig, dass Unternehmen und die Gesellschaft den Sinn von Arbeit hinterfragen und neu definieren.

markenartikel: Märkte werden globaler und dynamischer. Was muss sich deshalb mit Blick auf das Thema New Work in den Unternehmen verändern? Welches Mindset ist gefragt? 

Meiß: Denkt man sie durch, die gesellschaftlichen Veränderungen, kann man voller Vorfreude und Abenteuerlust in freudige Erwartung verfallen. Es sind wunderbare Aussichten auf eine neue, bessere Gesellschaft. Denn es ist doch ein tolles Gefühl, frei zu sein und selbstbestimmt zu entscheiden als Herr und Vermarkter seiner eigenen Arbeitskraft. So viel mehr Freiheit, so viel mehr Freude an dem was man tun kann. So viel mehr Sinn.

markenartikel: Und was bedeutet es denn für Unternehmenskultur und unternehmerische Werte, wenn der Mensch im Wertschöpfungsprozess immer wichtiger wird?

Meiß: Hier sind vor allem die Herausforderungen im Bereich Führung enorm: Es ist ein tiefes Verständnis des Wandels notwendig. Denn Wandel ist etwas Menschliches und es braucht Menschen, die das verstehen. Die oberflächliche Übernahme eines Hype-Begriffes mit kurzsichtiger Umsetzung in manipulative Methoden und Einzelmaßnahmen ist nicht zielführend.

markenartikel: Welche Handlungsfelder sollten Unternehmen als erstes angehen, wenn sie New Work in ihrem Unternehmen etablieren möchten?

Meiß: Grob zusammengefasst geht es um die Bereiche Organisationsentwicklung, Leadership, HR, Employer Branding und Markenarbeit. Das genaue Vorgehen ist jedoch sehr individuell: Entscheider sollten sich ehrlich fragen, ob sie New Work in dessen wahrer Bedeutung in ihrem Unternehmen als Geisteshaltung sehen können, die all ihren Maßnahmen zugrunde liegen soll. Wenn die Antwortet ja lautet, ist der erste Schritt immer, die Werte festzulegen, die künftig alles Handeln leiten sollen. Die Alternative ist, sich für ein kluges Konzept guter und sinnvoller Maßnahmen – zum Beispiel für HR – zu entscheiden. Das ist genauso legitim und ehrlich. Solange man es nicht New Work nennt.

Das Blackpaper zum Thema New Work zum Download finden Sie hier.



zurück

(vg) 18.12.2019



zurück

vg 18.12.2019