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Bewegtbild im Umbruch: "Werbung muss endlich wieder attraktiv werden"

Andreas Groke ist Managing Director und Co-Founder von Videobeat Networks. Nach seinem Studium war er zunächst als selbständiger Produzent und Regisseur tätig. Er ist seit 2017 als Dozent für Videomarketing an der Hamburg Media School aktiv (Foto: Videobeat)
Andreas Groke ist Managing Director und Co-Founder von Videobeat Networks. Nach seinem Studium war er zunächst als selbständiger Produzent und Regisseur tätig. Er ist seit 2017 als Dozent für Videomarketing an der Hamburg Media School aktiv (Foto: Videobeat)

Das Thema Bewegtbild treibt die Werbungtreibenden hierzulande um. Sie bemängeln Intransparenz und starren Strukturen. Andreas Groke, Managing Director und Co-Founder von Videobeat Networks, einer Full-Service-Agentur für datengesteuerte und plattformübergreifende TV- und Online-Video Kampagnen, sprach mit markenartikel-magazin.de über das je nach Kanal unterschiedliche Rezeptionsverhalten, notwendige Umbrüche und neue Metriken für die Kampagnenplanung.

markenartikel: In einem neuen Positionspapier macht die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) ihrem Ärger mit Blick auf die Bewegtbildbranche Luft und präsentiert einen Forderungskatalog mit neun Punkten (zur Meldung). Was war Ihr erster Gedanken, als Sie den Forderungskatalog gesehen haben – und warum?

Andreas Groke: Mein erster Gedanke dazu? Ja, endlich! Unsere Branche leidet schon seit Längerem an Intransparenz und starren Strukturen. Statt sich im Zuge der Digitalisierung weiterzuentwickeln und aktiv an Lösungen zu arbeiten, halten viele Player am Markt an eingestaubten Modellen fest. Dabei ist längst klar, dass unsere Branche dringend einen Umbruch braucht. Es ist an der Zeit, dass wir alle gemeinschaftlich an Innovationen arbeiten, um allseits bekannte Probleme zu lösen und in einem immer komplexer werdenden Marketingumfeld weiterhin erfolgreich zu sein.

markenartikel: Und Ihr zweite Gedanke?

Groke: Mein zweiter Gedanken war: Gut, jetzt hat es nochmal einer gesagt. Es wird aber wahrscheinlich nicht viel bringen. Einfach aus dem Grund, dass der Impuls, so richtig er auch ist, bei den meisten Marken zwar dazu führt, das Thema bei ihrer Agentur oder ihrem Ansprechpartner bei einem großen US-amerikanischen Unternehmen oder anderswo anzusprechen, es da dann aber zu einem Stopp kommt.

markenartikel: Die OWM fordert endlich Leistungsdaten, "die es ermöglichen, die Nutzung von Bewegtbild übergreifend so genau wie möglich abzubilden, um in einem sich wandelnden Markt auch zukünftig die gewünschten Zielgruppen wirksam und effizient erreichen zu können". Für wie realistisch halten Sie dieses Ziel?

Groke: Trotz des veränderten Nutzungsverhaltens der Rezipienten hat sich die Art und Weise, wie Werbung heute geplant und optimiert wird, in unserer Branche kaum verändert. Angesichts dieses schleppenden Prozesses ist die Forderung nach tiefgehenden Veränderungen in der Branche durchaus ambitioniert, aber definitiv notwendig. Für eine präzise Bewegtbildplanung braucht es übergreifende Leistungsdaten, um entsprechend Learnings und Optimierungspotenziale ableiten zu können. Die herkömmlichen Metriken und Kampagnenplanungen reichen nicht länger aus, um der diversifizierten Medienlandschaft gerecht zu werden. Das Ziel ist aber durchaus realistisch, da es dafür schon Lösungen gibt, nur aufgrund eingefahrener Strukturen noch nicht übergreifend eingesetzt werden. Wichtig ist nur: Wir dürfen nicht erwarten, dass dieser Umbruch von den Plattformen kommt.

markenartikel: Das wird er nicht?

Groke: Nein. Die Agenturen und Marken müssen sich zusammentun und das lösen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Branche mit Händen und Füßen dagegen wehrt – wobei das grundsätzlich nicht überraschend ist, viele Mediaagenturen werden viel Geld verlieren.

markenartikel: Sie sprechen das Thema Plattformen an. Digital wird Bewegtbild anders konsumiert als im TV. Wo sehen Sie die wichtigen Unterschiede?

Groke: Unabhängig von der Plattform sehen wir uns als Werbetreibende heutzutage mit einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne der Rezipienten konfrontiert, was wiederum in kürzeren Kontaktzeiten zwischen den Konsumenten und der Marke resultiert. Für die Konzeption von Werbespots bedeutet das, kurze prägnante Messages zu kommunizieren, um die Aufmerksamkeit der Rezipienten innerhalb kürzester Zeit für sich zu gewinnen. Aber selbstverständlich gibt es eklatante Unterschiede im Konsumverhalten von Digital und TV.

markenartikel: Die da wären?

Groke: Lineares TV ist bekannt als Nebenbei-Medium. Häufig surfen die Zuschauer parallel im Internet – mit ihrem Smartphone, Laptop oder Tablet. Im Online-Bereich ist der Konsum dagegen viel bewusster, auch weil die Konsumenten durch Ad Blocking Technologien oder den YouTube -Skip-Button ungeliebte Werbeinhalte leicht umgehen können. Aber auch zwischen den digitalen Plattformen gibt es große Unterschiede.

markenartikel: Was sind denn beispielsweise die größten Unterschieden zwischen YouTube und Facebook?

Groke: Auf keiner anderen Plattform wird Video so gezielt konsumiert wie auf YouTube. Durch die vorherrschende 'Ich-lehne-mich-zurück-Mentalität' hat man als Marke vergleichsweise mehr Zeit, um seine Werbebotschaften zu transportieren, aber auch kürze Videos mit einem klaren Call-to-Action sind nicht ungewöhnlich auf dieser Plattform. Bei Facebook wiederum sind die ersten Sekunden ausschlaggebend, auch wenn ein Großteil der Videos nicht länger als zehn bis 15 Sekunden lang ist. Spricht man die Aufmerksamkeit der Zielgruppe nicht sofort an, wird man weggescrollt. Auch das bevorzugte Format beeinflusst das Konsumverhalten: Bei YouTube meistens quer, bei Facebook im Hochformat; Ton oder kein Ton; Untertitel oder nicht. Auch muss man hier noch einmal zwischen dem Konsum von Werbung und Content unterscheiden.

Markenartikel: Inwiefern?

Groke: Der größte Unterschied des Sehverhaltes liegt tatsächlich bei dem Konsum von Werbung. Während Werbeblöcke im TV den Fernseher im Wohnzimmer zu einem Second-Screen machen, bieten Werbespots im digitalen Umfeld viel mehr Chancen. Meiner Meinung nach ist ein Smartphone, Tablet oder Laptop nie ein Second Screen für den Nutzer im Moment der Verwendung – das ist ein Umdenken, dass wir alle verinnerlichen müssen.

markenartikel: Was bedeutet das für die Kreation? Was sind typische Fehler, die Werbetreibende hier machen?

Groke: In der Vergangenheit und zum Teil auch noch heute werden Werbespots isoliert für ein Medium geplant und produziert. Im Anschluss wird dann versucht, diesen Spot wiederzuverwerten und über andere Kanäle zu verlängern. Ein Spot für online und TV funktioniert aber nicht, da die Inhalte und Längen der Spots plattformspezifisch angepasst werden müssen. Stattdessen empfiehlt es sich Kreation und Media ganzheitlich zu betrachten. Man muss den Konsumenten schon in der Kreation einbinden, um zu verstehen, welchen Content er auch welcher Plattform zu welchem Zeitpunkt sehen möchte.

markenartikel: Worauf muss man also achten?

Groke: Dabei gilt es, sich nicht blind auf Annahmen zu verlassen, sondern dem Konsumenten die richtigen Fragen zu stellen: Was bringt ihn zum Lachen? Wie kann er sich mit dem Spot identifizieren? Wodurch fühlt er sich verbunden? Was kann er lernen? Löst der Spot genug und echte Emotionen bei ihm aus? Beherzigt man diese Treiber von Aufmerksamkeit und passt die Spots zusätzlich noch an Format, Storyline & Plattform an, wird man als Marke Erfolg haben, weil dies Inhalte sind, die die Rezipienten unterhalten. Ignoriert man diese Aspekte, läuft man Gefahr Werbung zu kreieren, die niemanden interessiert oder gar stört.

markenartikel: Das will natürlich niemand.

Groke: Grundsätzlich müssen wir uns bezüglich der Konzeption also von zwei gelernten Grundsätzen lösen: Erstens, Digital ist keine One-to-Many-Kommunikation, wie wir es aus dem TV gelernt haben. Zweitens, Digital ist weder ein Medium noch ein Kanal, sondern eine Zusammenfassung vieler Plattformen und Ad-Formate. Für die Kreation bedeutet das, nicht in TV oder Digital zu denken, sondern in TV und dutzenden anderen Kanälen und Formaten.


markenartikel: Ist eine starre Mediaplanung demnach überhaupt noch zeitgemäß? Zu welchen Strategien raten Sie Werbungtreibenden – weg von TV und alles nur noch digitales Bewegtbild?

Groke: Ganz und gar nicht. TV ist nach wie vor das Lieblingsmedium der Deutschen. Auch wenn ein kontinuierlicher Zuwachs von online Angeboten beobachtbar ist und sich das bestehende Angebot zunehmend differenziert, überzeugt lineares TV mit seiner schnellen Skalierbarkeit und hohen Reichweite. Zwar ist eine Veränderung im Nutzungsverhalten der Rezipienten vor allem in jüngeren Zielgruppen nicht von der Hand zu weisen, dennoch wird dieser Entwicklung durch diverse additive crossmediale Strategien der TV-Sender entgegengewirkt. TV ist somit noch immer ein wichtiger Kanal im Marketingmix. Doch statt sich auf einzelne Kanäle zu beschränken, appellieren wir für eine holistisch angelegte Kampagnenplanung in der Kreation und Media zusammen gedacht werden.

markenartikel: Was sind die Vorteile?

Groke: Auf diese Weise können schon in der Kreationsphase relevante Plattformen identifiziert und zielgruppenspezifische Strategien definiert werden, die es ermöglichen, relevante Zielgruppen individuell anzusprechen und gleichzeitig die selbe Story in verschiedenen Variationen über unterschiedliche Kanäle hinweg zu erzählen. Zum anderen ermöglichen dieses Vorgehen auch ein performance-basiertes A/B Testing, um granulare Optimierungspotenziale aufzuzeigen und den optimalen Marketingmix festzulegen. Eine starre Mediaplanung von Anfang bis Ende ist demnach schon längst nicht mehr zeitgemäß.

markenartikel: Heißt konkret?

Groke: Ganz konkret bedeutet das, dass eine Marke zwei Dinge so schnell wie möglich ändern muss Erstens: Mediaplanung darf nicht mehr als eine Disziplin von Kosten vs. Reichweite innerhalb einer Zielgruppe verstanden werden, sondern muss als eine Disziplin von Kosten vs. Impact innerhalb einer Zielgruppe unter Berücksichtigung der Reichweite verstanden werden. Es darf also nicht der Rabatt, TKP oder die Reichweite im Reporting ganz oben stehen, sondern eine Metrik, die für die jeweilige Marke bestmöglich die Aufmerksamkeit der Zielgruppe und den Impact deutlich macht.

markenartikel: Und zweitens?
Groke: Wenn man das umsetzt, wird man schnell merken, was die zweite Änderung ist: Keine starr geplanten und comitteten Budgets mehr. Die neue Planung und das neue Reporting werden sofort zeigen, dass die Rezeption der Zielgruppe über verschiedene Kanäle und Plattformen schwankt – es gibt nicht mehr nur noch einen Fernseher und ein Radio im Haushalt – das heißt ich will und muss Budgets dynamisch shiften, um das Beste rauszuholen. Wer dann in vertraglichen Commitments steckt, die zu eng gefasst sind, verliert.

markenartikel: Sie sagen, Aufmerksamkeit könne man anhand sinnvoller KPIs messen und skalieren. Wie meinen Sie das?

Groke: Obwohl sich die Medienlandschaft über die Jahre drastisch verändert hat, arbeiten herkömmliche Ad-Systeme noch immer ausschließlich mit quantitativen Metriken wie Reichweiten und Impressionen, um den Erfolg von Kampagnen zu messen. Doch diese Metriken greifen zu kurz, da sie die Werbewirksamkeit ignorieren. Denn was bringt mir als Marke schon eine hohe Reichweite, wenn mein Werbeinhalt von meiner relevanten Zielgruppe gar nicht aktiv gesehen oder gar weggeklickt wird? Deswegen appellieren wir für die Etablierung einer neue Media-Währung: der Aufmerksamkeit. Diese kann mit Hilfe von Attention Metriken gemessen werden.

markenartikel: Attention-Metriken?

Groke: Darunter verstehen wir additive KPIs, die traditionelle Metriken wie Reichweite oder Gross Rating Points - kurz GRP - validieren und qualitativ ergänzen können. Ich möchte das gerne an einem Beispiel veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie vergleichen zwei Werbespots miteinander und möchten wissen, welcher Spot besser performt. Beide Spots weisen allerdings die gleiche Anzahl an GRPs auf oder haben im digitalen Bereich den gleichen CPM. Die additiven Attention Metriken können in solch einem Fall eine datenbasierte Auskunft darüber geben, welcher Spot mehr Aufmerksamkeit generiert und somit besser performt.

markenartikel: Haben Sie ein Beispiel für solch eine Attention Metrik?

Groke: Ein Beispiel ist der Cost per Minute Watched, kurz CPMW. Diese Metrik eignet sich besonders für Branding Kampagnen und misst wie viel Geld ein Kunde für eine Minute Markenkontaktzeit mit seiner Zielgruppe zahlt. Je länger sich der Rezipient freiwillig mit einem Inhalt auseinandersetzt, desto relevanter wird er von den sozialen Algorithmen eingestuft und desto günstiger wird der CPMW. Das wiederum bedeutet, dass aufmerksamkeitsgetriebene Kampagnen bei gleichem Budget mehr Impact und mehr Reichweite bei der relevanten Zielgruppe generieren. Wir sehen bei unseren Kampagnen, dass Mediabudgets so mehr als viermal so effizient wie vorher eingesetzt werden können. Jeder, der sich dieser Veränderung verschließt, verbrennt Geld.

markenartikel: Marken können den Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten somit auh in Zeiten der Medienvielfalt gewinnen?

Groke: Im Prinzip ist es ganz einfach: Werbung muss endlich wieder attraktiv werden, statt als Störfaktor wahrgenommen zu werden. Wer langweilt, wird übersehen. Und wer übersehen wird, dringt nicht zu seiner Zielgruppe durch. Als Marke muss man Werbeinhalte kreieren, die die Rezipienten zum Lachen bringen, mit denen sie sich identifizieren können, zu denen sie sich verbunden fühlen, von denen sie lernen können und die bei ihnen echte Emotionen auslösen. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich eine intensive Auseinandersetzung mit der entsprechenden Zielgruppe, denn letztendlich entscheidet der Konsument über den Erfolg oder Misserfolg einer Kampagne. Dabei empfiehlt es sich, seine Zielgruppe modular zu betrachten und in Teilzielgruppen zu unterteilen, um eine gezieltere Ansprache zu ermöglichen und maximale Wirkung zu erzeugen. Adaptiert man den Content dann noch passgenau an Plattform und Medium, ist man gut aufgestellt, um den Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu gewinnen.




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(vg) 25.03.2020



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vg 25.03.2020