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v.l. Stephan Telschow (GIM), Petra Süptitz (GfK) und Walter Freese (Interrogare) - Quelle: GIM, GfK, Interrogare

v.l. Stephan Telschow (GIM), Petra Süptitz (GfK) und Walter Freese (Interrogare) - Quelle: GIM, GfK, Interrogare

Marktforschung

Nicht verbiegen lassen

Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen: Wie die Konsumenten auf diese Entwicklungen reagieren und was das für die Markenführung bedeutet, verraten Petra Süptitz, Expertin für Konsumententrends und Nachhaltigkeit bei GfK in Nürnberg, Walter Freese, Director Business Development bei Interrogare in Bielefeld, Ralph Ohnemus, CEO bei K&A BrandResearch in Röthenbach bei Nürnberg, Jens Krüger, CEO von Bonsai Research in Hamburg/Bremen und Stephan Telschow, Managing Director bei der GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung in Heidelberg.

markenartikel: 2022 war geprägt von Inflation, Lieferkettenschwierigkeiten und Energiesorgen. Wie haben sich die aktuellen Entwicklungen auf die Verbraucher ausgewirkt?
Petra Süptitz: Krisen sind für die Deutschen aktuell allgegenwärtig – mehr als 80 Prozent machen sich Sorgen wegen steigender Energie- und Lebensmittelpreise. Das Konsumklima hatte 2022 einen historischen Tiefstand erreicht und bleibt aktuell trotz leichter Verbesserung auf einem extrem niedrigen Niveau. Eine nachhaltige Erholung für 2023 steht noch auf sehr wackeligen Füßen. Gleichzeitig rücken die Menschen näher zusammen. Werte wie Hilfsbereitschaft, soziale Verantwortung und der Wunsch nach Chancengleichheit für alle sind in den vergangenen Jahren wichtiger geworden. Auch soziale Toleranz gewinnt an Relevanz, insbesondere bei der Generation Z und bei den Millennials. Diese persönlichen Werte steuern auch das Konsumverhalten der Deutschen: 54 Prozent kaufen nur Produkte, die ihren Wertvorstellungen oder Idealen entsprechen.
Walter Freese: Vieles von dem, was wir in den vergangenen Jahren über Konsumentenverhalten, Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnisse erforscht und gelernt haben, muss durch die aktuellen Entwicklungen neu überdacht werden. Prioritäten und Präferenzen ändern sich. Der Preis für bestimmte Produkte hat für viele Konsumentengruppen eine neue Relevanz erhalten. Markenhersteller sehen sich durch günstigere Eigen- und Handelsmarken herausgefordert. Umso wichtiger ist es, genau hinzuschauen. Das Konsumentenverhalten ist komplex und volatil und das Phänomen des hybriden Konsumenten schlägt auch hier voll durch.
Jens Krüger: Richtig. Es gibt ja nicht das eine Kaufverhalten der Menschen. Mit der immer weiter zunehmenden Fragmentierung unserer Gesellschaft differenziert sich auch das Verhalten immer weiter aus. Natürlich gibt es eine Kaufzurückhaltung, vor allem dort, wo das Geld angesichts steigender Preise knapper wird. Konsum wird aber auch immer noch ein Statement bleiben.
Ralph Ohnemus: Eines ist klar: Die damals von den meisten Beratern proklamierte dauerhafte Einstellungsänderung, das berühmte New Normal, hat sich nicht gehalten. Die Menschen sind wieder zu ihrem bewährten Verhalten zurückgekehrt. Dieses ist nicht grundsätzlich sozialer oder gar nachhaltiger geworden. Man muss nur den Lufthansa-Aktienkurs anschauen: Die Flieger sind fast so voll wie vor der Pandemie. Wir raten deshalb, auch bei den Folgen der Ukraine-Krise nicht von einem grundsätzlich neuen sozialethischen Verhalten auszugehen, sondern auf den Kontext zu achten und daraus die zu erwartenden Verhaltensänderungen abzuleiten.

Jens Krüger (l., Bonsai) und Ralph Ohnemus (r., K&A BrandResearch) - Quelle: Andreas Thomaier; Klaus Knuffmann

markenartikel: Welche Veränderungen sehen Sie?
Ohnemus: Gut die Hälfte der Verbraucher kann die Energiekostensteigerungen und Inflation schlicht nicht einfach aussitzen. Diese Gruppe wird handeln müssen. Das heißt, Energie sparen und auf günstigere Lebensmittelkategorien ausweichen. Weniger Bio und mehr Sonderangebote sowie Eigenmarken kaufen. Weniger Bekleidung und weniger Streaming-Dienste, billigeren oder gar keinen Urlaub, weniger Restaurantbesuche, mehr kostenlose Freizeitangebote. Mehr private soziale Kontakte mit Familie und Freunden für die Steigerung des angeschlagenen Wohlbefindens.
Stephan Telschow: Trotz permanenter Krisenbeschallung scheinen die Konsumenten in Deutschland aber letztlich erstaunlich gelassen mit den aktuellen Herausforderungen umzugehen. Das Motto könnte lauten: »Die Stimmung ist schlecht, wir lassen uns aber nicht Bange machen.« Natürlich hat sich nach drei Jahren gefühlter Dauerkrise eine gewisse Resilienz ausgeprägt. Zugleich hat sich aber auch der Charakter der Krise geändert: Nach der lebensbedrohlichen Corona-Krise mit massiven Eingriffen in die alltägliche Lebensführung ist die Energie-Ukraine-Inflations-Krise nunmehr eine abstraktere Situation, die sich auf vertrauterem Terrain bewegt. Dementsprechend unaufgeregt scheint die Reaktion in der Gesellschaft.

markenartikel: Das klingt jetzt nicht so negativ wie man befürchten könnte …
Telschow: Mitnichten. Das heißt nicht, dass sich ein Gefühl der Sorglosigkeit und frohgemuten Zuversicht breit macht. Vor allem die Kostenexplosionen bei Energie und bei Lebensmitteln führen dazu, dass etwa die Hälfte aller Konsumenten Veränderungen im eigenen Konsumverhalten beobachtet. Naheliegendste Krisenauswirkung sind natürlich die allfälligen Sparbestrebungen. Im Mittelpunkt des Sparens stehen vor allem Lebensmittelkäufe und dies besonders bei jenen, deren Ausgabenanteil für Lebensmittel am Gesamtbudget besonders hoch sind: größere Haushalte der unteren und mittleren Einkommensgruppen. Zugleich zeigt sich aber auch, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Haushalte die Multikrise relativ unbeschadet und ohne größere Verhaltensänderungen wegstecken können. Fast ebenso spannend wie diese offensichtlichen Strategien sind jedoch die hintergründigen Bewusstseinsveränderungen.

markenartikel: Was meinen Sie?
Telschow: Nach den Konsumpausen der Corona-Zeit schafft nun die Inflation erneut eine Situation, in der ungezügeltes Shoppen hinterfragt werden muss. Konsumreduktion wird damit nicht nur durch die Frage »Kann ich mir das leisten?«, sondern oft auch durch die Frage »Brauche ich das wirklich?« eingeleitet. 78 Prozent der der erwachsenen Verbraucher sagen: »Ich konzentriere mich auf das, was ich brauche« und äußern damit einen klaren Anspruch an überzeugende Nutzwertargumentationen von Marken.

Wie sich die aktuellen Krisen auf den nachhaltigen Konsum auswirken, was das alles für Marken bedeutet und welchen Rat sie für die Unternehmen haben, lesen Sie im vollständigen Interview in markenartikel 1-2/2023. Zur Heftbestellung geht es hier.

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vg 08.02.2023