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Kommentar: Was ist "Made in Germany"?

von Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen

Der deutsche Automarkt hat für die deutschen Autobauer schon lange keine ausschlaggebende Bedeutung mehr. Mit einem Absatzanteil von knapp 22 Prozent ist bei Mercedes die Bedeutung des deutschen Absatzmarktes noch am größten. Bei der Marke Audi sind es noch 18 Prozent, bei BMW 16 Prozent und bei der Marke VW weniger als 12 Prozent aller weltweit verkauften Fahrzeuge, die in Deutschland einen Käufer finden. Es gilt die Regel: Je größer der deutsche Autobauer, umso unwichtiger ist der Absatzmarkt Deutschland. Von allen vier großen deutschen Automarken werden noch 15 Prozent der weltweit verkauften Neuwagen im Heimatmarkt Deutschland abgesetzt.

Dieser Trend wird sich fortsetzen und so ist jetzt schon sicher, daß im Jahr 2013 etwa die Marke VW gerade noch zehn Prozent ihrer weltweit verkauften Fahrzeuge in Deutschland absetzen wird und spätestens ab dem Jahr 2014 der Markt Deutschland für weniger als zehn Prozent der Verkäufe in Deutschland steht. Und auch bei Mercedes wird spätestens zum Jahr 2015 der Deutschland-Absatz weniger als 20 Prozent des weltweitweiten Absatzes betragen.

Nur noch jeder vierte VW in Deutschland gebaut

Was für die Verkäufe gilt, kann nahezu analog auf die Produktion übertragen werden. Die internationalen Absatzsteigerungen gehen mit der Steigerung der Produktion im Ausland und mit neuen Autowerken der deutschen Autobauer im Ausland einher. Mit 1,13 Millionen in Deutschland produzierten Fahrzeugen hatte Audi im Jahr 2011 noch mit 83 Prozent den höchsten deutschen Produktionsanteil. Bei BMW und Mercedes liegt der deutsche Produktionsanteil bei 70 Prozent bzw. 68 Prozent.

Bei der Marke VW wurden im Jahr 2011 gerade noch 26 Prozent aller weltweit verkauften Fahrzeuge in Deutschland produziert. Durch das stark gestiegene China und USA-Geschäft ist der VW-Produktionsanteil aus deutschen Werken im Jahre 2012 weiter auf 25 Prozent gesunken. Nur jeder vierte VW kommt damit aus einem deutschen VW-Werk. Made in Germany trifft damit zwar auf die Entwicklung und das Design zu, aber eben nicht auf das Produzieren.

Für das Jahr 2012 ist mit einem weiter sinkender Produktionsanteil aus Inlandproduktion zu rechnen. Nach vorläufigen Daten ist der inländische Produktionsanteil von Audi auf 81 Prozent und bei VW auf 25 Prozent gesunken. Ausschlagend bei Audi sind die Produktion des Audi Q3 in Spanien und der Produktionshochlauf dieses Fahrzeugs im Jahre 2012. Bei der Marke VW sind im Jahre 2012 gegenüber dem Jahr 2011 gut 300.000 Fahrzeuge zusätzliche Fahrzeuge in China gebaut worden, gut 100.000 zusätzlich in Nordamerika (Produktionshochlauf US-Passat) sowie in Europa die Produktion des Kleinwagen Up!, der zu 100 Prozent im Ausland gebaut wird, auf Marktniveau im ersten richtigen Verkaufsjahr hochgefahren. Damit sinkt der Deutschland-Anteil bei der weltweiten der Marke VW auf 25 Prozent.

Wären nur noch in jedem vierten Glas Spreewaldgurken tatsächlich Gurken aus dem Spreewald, käme das vermutlich befremdlich vor. Nürnberger Würstchen aus Shanghai, Habanos nicht aus Kuba, Champagner nicht aus der Champagne, sondern etwa Kalifornien, Piemont-Kirchen aus Spanien, man kann das beliebig fortsetzen. Nähme man es wörtlich, wären VW-Fahrzeuge eben nicht 'Made in Germany' - 'German Engineering' wäre als Ursprungsbezeichnung richtiger.

Auch bei den anderen deutschen Autobauern ist nicht alles in Deutschland produziert, was man als deutsches Auto betrachtet. So kommt etwa die Mercedes M- und R-Klasse vollständig aus einem Produktionswerk in USA, im Ausland werden auch die Mercedes G-Klasse und der Mercedes GL hergestellt. Bei BMW gibt es etwa den X6, X5 und X3 nur aus US-Produktion und bei Audi werden weder der A1 noch der Q3, Q7 und TT in Deutschland gebaut. Bei VW gibt es den New Beetle, den Up!, Polo, Jetta, Sharan und Touareg ausschließlich aus Auslandsproduktion. Aber auch ein Golf, Passat oder Tiguan kann als Auslandsproduktion gekauft werden ohne dass es der Kunde merkt.

Vielleicht sollten die deutschen Autobauer 'Made in Germany' neu definieren. Vielleicht analog zu Crémant etwa 'Entwickelt in Deutschland'. Die Gefahr, durch EU-Regulierungen etwas zurückziehen zu müssen, ist nicht von der Hand zu weisen. Deutsche Autos sind – zumindest im Falle der Marke VW – keine Herkunftsbezeichnung, die etwas über das Herstellungsland sagt. Die Fahrzeuge müssen deshalb auf keinen Fall eine schlechtere Qualität haben. Oft gilt sogar das Umgekehrte. Da die Werke im Ausland in der Regel jünger und neuer sind, wird dort auch höhere Qualität produziert.

Deutsche Autos aus China

Mittlerweile werden von der Marke VW mehr als ein Drittel aller Fahrzeuge in China produziert, während es in Deutschland weniger als 25 Prozent sind. Und auch bei den Mitarbeitern sind im VW-Konzern mittlerweile die Mitarbeiter im Inland in der Minderzahl. 55 Prozent aller VW-Konzern-Mitarbeiter sind im Ausland beschäftigt und 50.000 Mitarbeiter arbeiten in zehn Werken bei VW in China. Nach VW-Planungen steigt die Werkeanzahl in China bis zum Jahre 2015 sogar auch 13 Werke.

Bei den anderen deutschen Autobauern gilt heute, daß der Großteil der Beschäftigte am Standort Deutschland arbeitet. So sind etwa 73 Prozent aller BMW-Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Bei Audi arbeiten im Inland 78 Prozent aller Mitarbeiter und im Daimler-Konzern sind 62 Prozent der Beschäftigten im Inland tätig.



Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.


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vg 27.02.2013