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"Das Konzept Messe hat nicht ausgedient, muss aber geschärft werden"

Tim Krannich ist Geschäftsführer der Berliner Agentur Spreefreunde (Quelle: Robert Schlesinger)
Tim Krannich ist Geschäftsführer der Berliner Agentur Spreefreunde (Quelle: Robert Schlesinger)

Die Event-Branche leidet stark unter der aktuellen Corona-Krise. Mit Tim Krannich, Geschäftsführer der Berliner Agentur Spreefreunde, sprach markenartikel-magazin.de über die künftige Rolle von Live-Veranstaltungen, den Trend hin zu hybriden Events und die Herausforderung der Emotionalisierung.

markenartikel: Die Corona-Pandemie hat auch die Event-Wirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht. Wie haben Sie die Situation bisher erlebt?
Tim Krannich: Mit sehr gemischten Gefühlen. Ich kann das vielleicht in fünf Metaphern zusammenfassen: Beschleunigung vs. Langeweile, Klarheit vs. Ungewissheit, Menschlichkeit vs. Kündigungswelle, Anspruchsdenken vs. Wirklichkeit, Erfolg vs. Ineffizienz.

markenartikel: Laut einer Studie von Visable bezweifeln Marketingentscheider zunehmend die Sinnhaftigkeit physischer Messen. Mehr als ein Drittel derjenigen, die bisher auf Messen vertreten waren, planen 2021 keine Auftritte oder Besuche mehr. Knapp ein Viertel der Befragten will künftig digitale Alternativen für ihr Unternehmen nutzen. Schon vor der Corona-Krise gab es die Diskussion um die Zweckmäßigkeit von Messen. Was denken Sie: Hat das Konzept Messe ausgedient?
Krannich: Die Antwort liegt bereits in Ihrer Fragestellung beantwortet und wird durch COVID-19 nur beschleunigt. Anstatt eines dahinsiechenden Prozesses über Jahre, wird ein Strich unter vieles gezogen – auch unter nicht erfolgreiche beziehungsweise nicht notwendige Messeaktivitäten. Das Konzept Messe hat nicht ausgedient, wird aber für alle Akteure des Wirtschaftszweiges weiter geschärft werden müssen. Wenn am Ende ein relevanter Teil des physischen Messegeschäfts übrigbleibt, wären wir als Spreefreunde mehr als zufrieden.

markenartikel: Wohin geht dabei die Reise Ihrer Meinung nach?
Krannich: Die persönliche Begegnung, dass Netzwerken und vor allem das Ordern werden weiterhin seine physische Berechtigung haben. Wenn ein nicht unerheblicher Anteil in digitale Lösungen investiert wird, freut uns das auch, vor allem dann, wenn das irgendwann einen höheren Impact als vorher für die Marken zur Folge hat. Zurzeit beobachten wir sehr viele Gehversuche, darunter sind aber wenige überzeugende digitale beziehungsweise hybride Event-Formate.

markenartikel: Sie sagen, Hybrid Events sind effektiver als reine Live- oder Digital Events. Was sind die Vorteile?
Krannich: Unter Hybrid-Events verstehen wir eher das originäre US-Modell als die eingedeutschte Version. Durch digitale Kommunikationsinstrumente entstehen weitere Erlebnisebenen und durch die zusätzliche digitale Übertragung werden größere Zielgruppen erreicht. Neben diesen beiden Hauptargumenten für einen hybriden Event gibt es viele weitere positive Nebeneffekte.

markenartikel: Können Sie das erläutern?
Krannich: Drei Beispiele skizzieren das kurz: Zum einen werden die Kosten reduziert: Es entstehend geringere Hotel- und Reisekosten, in der Regel verringert sich außerdem der Flächen- beziehungsweise Raumbedarf. Da freut sich auch die Umwelt. Zum anderen werden Ressourcen geschont: Wegstrecken entfallen und Events lassen sich leichter auftrennen. Das ist familienfreundlicher, zielgruppenaffiner und zeitgeistiger. Drittes und letztes Argument ist die höhere Flexibilität: Es wird weniger Zeit für Events aufgewendet. So kann das Programm attraktiver gestaltet werden und die Wahrscheinlichkeit, dass alle gewünschten Gäste teilnehmen können, steigt damit signifikant. Auch die Teilnahme an ausgewählten Programmabschnitten ist besser möglich.

markenartikel: Worauf müssen Marken achten, wenn sie solche Hybrid-Events planen und durchführen?
Krannich: Aktuell vermissen wir die flächendeckende Qualität – vergleichbar zu den Live-Inszenierungen vor COVID-19. Ob das aktuell vorwiegend an den Kundenbudgets und der Findungsphase liegt oder die Marken noch mehr verstehen mögen, dass auch digitale Events wie TV-Shows inszeniert, emotionalisiert und auch so budgetiert werden müssen, das werden wir sehen.

markenartikel: Welche Fallstricke gibt es?
Krannich: Die aktuell größte Herausforderung sehen wir bei den Punkten Networking und der haptischen Erfahrung bei einer bestimmten Art von Produkten. Für Menschlichkeit, Teilnehmererlebnis, Roter Faden, Spannungsbogen, Interaktion, Design, das perfekte digitale Bild und Set sowie auch für das Entertainment hat sich eigentlich gar nicht viel im Vergleich zu vorher verändert. Es muss auf den Kanal digital nur vernünftig adaptiert werden.

markenartikel: Wie gelingt es hier, die Marke konsistent zu kommunizieren?
Krannich: Auch bei diesem Punkt hat sich eigentlich nicht sehr viel verändert. Außer, dass in der Regel die Veranstaltungslänge sich um einen nennenswerten Teil verkürzt und auch dadurch die Inhalte noch prägnanter und markenaufladender dargestellt werden müssen. Die Emotionalisierung ist herausfordernder, aber zugleich mit entsprechenden Chancen versehen.

markenartikel: Haben Sie ein Beispiel für solch einen Hybrid-Event?
Krannich: Gemeinsam mit Volkswagen haben wir ein erstes solches Event bereits umgesetzt und im Juni zum Anlauf der Car.Software-Organisation eine Tech-Show veranstaltet. Hier haben wir viele der oben genannten Punkte einfließen lassen mit vier Events an drei Tagen: Anstatt 30 Stunden für drei physische Live Events gab es vier hybride Live Events in insgesamt nur siebeneinhalb Stunden. Es wurde nahezu alles live gesendet. Dafür gab es beispielsweise ein aufwendiges Set mit mehreren Bühnen. Als Vorbild diente die Wetten, dass…-Kulisse. Die Mitarbeiter wurden stark in die Show eingebunden – als Vorbild fungierte hier die Die Höhle der Löwen. Verschiedene konzerninterne Impulsgeber konnten mit diversen Tools wie Skype dazu geschaltet werden, orientiert haben wir uns hier an der Sendung Wer wird Millionär. Mit Städte-Cloud, Emojis und Chat gab es für die Zuschauer verschiedene Interaktionsmöglichkeiten. Die emotionale Klammer schafften wir durch den Sound eines Musik-Acts, der sich per Splitscreen aus den eigenen Haushalten zusammengeschaltet hat.




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(vg) 02.09.2020



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vg 02.09.2020