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Dr. Jochen Bernhard ist Rechtsanwalt und Partner und Eliana Koch-Heintzeler, LL.M., ist Senior Associate bei der Kanzlei Menold Bezler - Quelle: Menold Bezler

Dr. Jochen Bernhard ist Rechtsanwalt und Partner und Eliana Koch-Heintzeler, LL.M., ist Senior Associate bei der Kanzlei Menold Bezler - Quelle: Menold Bezler

Paypal

Mehr Wettbewerb beim Online-Payment?

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat ein Verfahren gegen PayPal eingeleitet. Der Zahlungsdienstleister verhindere durch seine Nutzungsbedingungen, dass Wettbewerber bessere Zahlungskonditionen als PayPal anbieten können, so die Bonner Behörde. Was ist dran an den Vorwürfen? Und was kann für Marken mit Onlineshops am Ende aus dem Verfahren folgen? Rechtsanwalt Dr. Jochen Bernhard und Rechtsanwältin Eliana Koch-Heintzeler, beide bei der Kanzlei Menold Bezler auf das Kartellrecht spezialisiert, schildern für markenartikel-magazin.de die Hintergründe:

"Die Nutzungsbedingungen von PayPal sehen kurz gesagt folgendes vor: Wenn Händler:innen ihren Kund:innen die Bezahlung über PayPal anbieten, muss diese preislich mindestens gleich attraktiv sein wie die Bezahlung über andere Zahlungsmethoden. Außerdem dürfen die Händler:innen andere Zahlungsmethoden auch in der Darstellung nicht hervorheben. Beide Klauseln führen de facto dazu, dass Händler:innen, wenn sie PayPal nutzen, etwaige günstigere Angebote anderer Zahlungsdienstanbieter nicht an ihre Kund:innen weiterreichen dürfen. Das erschwert es den Wettbewerbern, sich auf dem Markt durchzusetzen oder gar erst dort Fuß zu fassen.

Bundeskartellamt: Verfahren gegen PayPal

Für das Bundeskartellamt (BKartA) weist dies darauf hin, dass PayPal möglicherweise seine marktbeherrschende oder wenigstens relativ marktmächtige Stellung missbraucht. Auch besteht der Verdacht, dass der Zahlungsdienstleister unzulässigerweise wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen trifft.

Aus Sicht des Wettbewerbsrechts sind beide Aspekte nicht trivial. Denn für Unternehmen mit einem Marktanteil bis zu 30 Prozent können nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) bestimmte wettbewerbseinschränkende Vereinbarungen nicht dem Kartellverbot unterliegen, während sie nach dem Wettbewerbsrecht als missbräuchlich angesehen werden können. Anders gesagt: Es kann vorkommen, dass ein und dasselbe Verhalten kartellrechtlich erlaubt ist, aber gleichzeitig einen verbotenen Marktmachtmissbrauch darstellt.

Möglicher Marktmissbrauch im Fokus

Was einen möglichen Marktmachtmissbrauch betrifft, muss das BKartA zunächst den relevanten Markt für PayPal ausmachen. Aus der Sicht von Verbraucher:innen und Händler:innenn wird es sich den "Wettbewerb der Zahlungsarten" ansehen müssen. Dazu gehören zum einen Zahlungsdienstleister wie Klarna, Google Pay und Amazon Pay, zum anderen aber auch Banken und Kreditkartenanbieter, über die sich Käufe per Rechnung oder Vorauskasse abwickeln lassen.

Eine Studie des Marktforschungsunternehmens EHI Retail hat für PayPal einen Marktanteil von 28,2 Prozent ermittelt. Käme das BKartA zum gleichen Ergebnis, könnten die beanstandeten Klauseln vom Kartellverbot freigestellt sein. Es läge dann keine unzulässige "weite Bestpreisklausel eines Online-Vermittlungsdienstes" nach der Vertikal-GVO vor. Zu berücksichtigen ist dabei, dass PayPal nur bei der Bezahlung im Online-Handel unterstützt, nicht aber selbst Waren vermittelt. Auch verbietet es Verkäufer:innen nicht, ihre Produkte über andere Online-Vermittlungsdienste günstiger anzubieten. Es ist nach den Nutzungsbedingungen von PayPal nur verboten, Produkte auf eigenen Websites dann günstiger anzubieten, wenn sich die Kund:innen für eine günstigere Online-Zahlungsmethode anstelle von PayPal entscheidet.

Netzwerkeffekt als Begründung für eine relative Marktmacht

Unter diesen Vorzeichen dürfte es für das BKartA auch schwer werden, eine marktbeherrschende Stellung nachzuweisen. Wahrscheinlicher ist es, dass sich der Marktmachtmissbrauch über die relative Marktmacht von PayPal begründen ließe. Hier müsste sich belegen lassen, dass bestimmte Unternehmen so abhängig von dem Zahlungsdienstleister sind, dass für sie keine ausreichenden oder zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf Wettbewerber auszuweichen. Das wiederum hieße, dass sich Kund:innen von der Zahlungsmöglichkeit über PayPal leiten lassen, wenn sie einen Online-Händler für ein Produkt aussuchen.

Stellt man hier auf die Option kostenloser Geldtransfers über die PayPal-Friends-Funktion ab, die voraussetzt, dass sowohl Zahlungserbringer als auch Zahlungsempfänger einen PayPal-Account haben, könnte das BKartA den Netzwerkeffekt als Begründung für eine relative Marktmacht von PayPal beim Bezahlen im Internet heranziehen. Man könnte davon ausgehen, dass Kund:innen, die schon einen PayPal-Account haben, im Zweifel lieber gleich bei einem Händler mit PayPal-Zahlungsfunktion kaufen, als dass sie auf einem anderen Händlerportal einen Giropay-, Klarna- oder Google-Pay-Account neu anlegen, nur um ein paar Cent für den Kauf zu sparen.

Hat das BKartA die Marktmacht von PayPal nachgewiesen, ist es damit noch immer nicht am Ziel. Es muss nämlich auch belegen, dass die PayPal-Klauseln tatsächlich missbräuchlich sind. Weil der Anbieter es mit seinen Nutzungsbedingungen untersagt, ihre Produkte bei Nutzung anderer Zahlungsdienstleister günstiger anzubieten, haben diese es entsprechend schwerer, Händler:innen dafür zu gewinnen, dass sie ihre Zahlungsdienste ebenfalls in ihre Shops einbinden. Die "Regel zu Aufschlägen" hätte dann eine Verdrängungswirkung gegenüber den Wettbewerbern von PayPal. Diesem Vorgehen mit intensiverem Marketing zu begegnen, bleibt den Wettbewerbern von PayPal versagt, weil die Händler:innen die Konkurrenten von PayPal nicht optisch hervorheben dürfen.

Auswirkungen der Entscheidung

Was hieße es, wenn das BKartA die Nutzungsbedingungen von PayPal für unwirksam erklärt? Händler:innen dürften ihre Produkte dann zu günstigeren Preisen anbieten, wenn die Kund:innen einen anderen Zahlungsdienst als PayPal nutzen. Sie dürften die geringeren Gebühren für die Zahlungsabwicklung an ihre Kund:innen durchreichen, was wiederum zur Folge hätte, dass die Nutzung anderer Zahlungsdiensteanbieter als PayPal für die Kund:innen attraktiver würde.

Einen Haken gibt es hier allerdings noch: Endkund:innen können aktuell nicht erkennen, ob und inwieweit ein Händler Transaktionskosten an ihn weitergibt. Denn nach der Europäischen Zahlungsdiensterichtlinie dürfen für bestimmte Bezahlmethoden keine separaten Entgelte erhoben werden. Folglich weisen Online-Händler:innen die Zahlungsentgelte nicht separat aus. Das BKartA möchte erreichen, dass dieses gesetzliche Verbot kippt. Verbraucher:innen hätten dann Transparenz nicht nur über die Versandkosten, sondern auch die Transaktionskosten für die Zahlungsabwicklung. Gebühren für die Zahlungsweise würden dann zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor im Online-Handel."

 

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vg 06.02.2023