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Brückenbau Marke: Wissenschaft trifft Praxis

In einer neuen Rubrik im markenartikel berichtet Prof. Dr. Carsten Baumgarth, HWR Berlin, künftig über wichtige Erkenntnisse aus der Wissenschaft und ihre Relevanz für die Markenpraxis. Im Interview erläutert er, wieso dieser Transfer so wichtig ist.

markenartikel: Sie haben sich den Transfer von wissenschaftlichen Forschungserkenntnissen zum Thema Marke in die Praxis auf die Fahne geschrieben und deshalb den Instagram-Kanal 'Brückenbau Marke – Wissenschaft trifft Praxis' gestartet. Was treibt Sie an?

Prof. Dr. Carsten Baumgarth: Wissenschaftler produzieren fleißig neues Wissen. Und diese kreative Arbeit wird auch noch überwiegend vom Staat bezahlt, aber es findet heute praktisch kein Transfer mehr in die Praxis statt. In einer kleinen Blitzumfrage mit 61 Personen in meinem Netzwerk von Markenpraktikern aus Großunternehmen, KMU und Beratung bzw. Agenturen habe ich zum Beispiel die Bekanntheit von wissenschaftlichen Journals abgefragt.

markenartikel: Mit welchem Ergebnis?

Baumgarth: Die Magazine mit der höchsten gestützten Bekanntheit waren mit je 18 Prozent das Journal of Consumer Research und das Journal of Brand Management. Nicht einmal jeder fünfte Markenexperte in der Praxis kennt also wenigstens dem Namen nach diese Publikationen. Die im Wissenschaftsumfeld sehr relevante Markenzeitschrift Journal of Product & Brand Management kennen sogar nur fünf Prozent. Und 88 Prozent der Befragten haben gesagt, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten keinen einzigen Beitrag aus einem dieser Magazine gelesen haben.

markenartikel: Die Forschungsergebnisse kommen also in der Praxis häufig gar nicht an?

Baumgarth: Richtig. Für die internationale und auch deutsche Marketing- und Markenforschung sind solche Publikationen aber eine zentrale Publikationsplattform. Die frühen Stars der Branche wie Prof. Heribert Meffert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Prof. Richard Köhler von der Universität zu Köln haben noch intensive Beziehungen zur Praxis unterhalten.

markenartikel: Und wie sieht es heute aus?

Baumgarth: Ausgehend von einigen akademischen Netzwerken rund um Prof. Christian Homburg von der Universität Mannheim und Prof. Sönke Albers von der Kühne Logistics University, um nur zwei exemplarisch zu nennen, gab es eine vollständige Neuorientierung in der Marketing- und Markenwissenschaft. Die Themen wurden spitzer, die Arbeiten empirischer, die Methoden anspruchsvoller. Es zählten und zählen nur noch Forschungen, die in internationalen Zeitschriften veröffentlicht werden können. Der Transfer von Wissen in die Praxis ist komplett hinten runtergefallen. Immer mehr Professoren und Institutionen erkennen das Problem. Journals richten deshalb eigene Rubriken für den Transfer ein und der VHB als Verband der Universitätsprofessoren der BWL hat 'VHBexperts' für die Kommunikation mit den Medien ins Leben gerufen. Bislang aber alles ohne wirklichen Erfolg.

markenartikel: Woran liegt das?

Baumgarth: Ich sehe insbesondere drei Barrieren: Erstens existiert eine völlige Informationsüberflutung. Im aktuellen VHB-Ranking werden im Bereich Marketing über 100 wissenschaftliche Zeitschriften aufgeführt – und die Liste ist noch nicht einmal vollständig. Allein in den aufgeführten Journalen wurden 2020 insgesamt 5.691 Artikel publiziert. Die zweite Barriere stellt der Inhalt der Beiträge dar. Durch das kurze Journalformat und den internationalen Wettbewerb unter Wissenschaftlern um die knappen Plätze in den Top-Magazinen werden die Beiträge thematisch immer spitzer – man kann auch provokativ sagen, immer weniger für die Praxis relevant. Und das bei gleichzeitig immer anspruchsvolleren empirischen und statistisch-mathematischen Methoden.

markenartikel: Und die dritte Barriere?

Baumgarth: Die sehe ich in der Markenpraxis. Dort gibt es einen Trend zu 'Fast-Science'. Informationen sollen möglichst schnell verfügbar und einfach verdaubar sein – und sie sollen das eigene, ganz konkrete Problem lösen. Sich intensiver mit einem Thema auseinanderzusetzen, Widersprüche in den Ergebnissen zu akzeptieren und länger darüber nachzudenken, fällt den Markenverantwortlichen zunehmend schwerer. Dieses kurzfristige Denken und der Zeitdruck sind oft mit fehlendem Know-how bezüglich statistischer Methoden oder psychologischer Theorien verbunden.

markenartikel: Deshalb ist eine andere Art der Wissenschaftskommunikation wichtig?

Baumgarth: Definitiv. Nur acht Prozent der von mir Befragten haben in den vergangenen zwölf Monaten neues Markenwissen aus wissenschaftlichen Journals gezogen. Daher habe ich im ersten Lockdown im März 2020 überlegt, welche Wege besser geeignet sein könnten. Ich habe dann ein Konzept für den Instagram-Kanal 'Brückenbau Marke – Wissenschaft trifft Praxis' entwickelt und Ende Juli den ersten Post veröffentlicht. Noch sind wir in der Experimentierphase. Wir haben mittlerweile rund 750 Abonnenten und jede Episode erreicht im Durchschnitt rund 370 Views. Wir verlängern den Kanal auch auf LinkedIn und erreichen dort mit jedem Post etwas mehr als 1.500 Views.

markenartikel: Um das Wissen aus der Wissenschaft in die Unternehmenspraxis zu bringen, starten markenartikel und 'Brückenbau Marke' eine neue Rubrik im Heft, in der jeden Monat Ergebnisse aus der internationalen Markenforschung präsentiert werden. Was erwartet die Leser?

Baumgarth: Auf dem Instagram-Kanal gibt es sieben Kategorien von Inhalten. Für die Rubrik im markenartikel habe ich drei aus meiner Sicht besonders geeignete Kategorien ausgewählt: Klassiker, Newcomer und Cases. In den Klassikern stelle ich Journal-Beiträge vor, die man gelesen haben sollte, wenn man sich mit Marken beschäftigt. Die Kategorie Newcomer präsentiert Beiträge, die zwischen 2018 und 2021 in Top-Journals erschienen sind. Die Beiträge in den Cases hingegen gehen von einem realen Markenbeispiel aus und interpretieren dieses vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Publikationen.

markenartikel: Was haben die Markenführenden davon?

Baumgarth: Sie erwarten neueste Ergebnisse der internationalen Markenforschung verpackt in kleine Häppchen. Die kurzen, fast ohne Zahlen und Statistik auskommenden Artikel sollen Appetit auf die Originalbeiträge und Markenwissenschaft im Allgemeinen machen. Und für mich ist dieser Transfer auch für die Praxis extrem wichtig, da diese aktuell mit vielen Herausforderungen konfrontiert ist – zum Beispiel Digitalisierung, Fridays for Future, Co-Creation, Künstliche Intelligenz, Start-ups oder Corona-Pandemie. Markenverantwortliche suchen deshalb nach neuen und fundierten Ergebnissen und Rezepten.

markenartikel: Was erhoffen Sie sich für den Austausch und die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis?

Baumgarth: Ich will die Lücke zwischen akademischer Forschung und angewandter Markenführung nicht akzeptieren und sie reduzieren. Es geht dabei auch darum, die Arbeit von meinen Kollegen und mir zu legitimieren und sichtbarer zu machen. Ich möchte die Praxis neugierig auf Wissenschaft machen und dazu einladen, intensiver und langfristiger miteinander zu kooperieren.



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vg 07.05.2021