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Hersteller setzen fast 65 Prozent mit nur drei Hauptkunden aus dem LEH um - Quelle:'Verhandlungsspielräume der Industrie gegenüber dem LEH'/Lademann & Associates

Hersteller setzen fast 65 Prozent mit nur drei Hauptkunden aus dem LEH um - Quelle:'Verhandlungsspielräume der Industrie gegenüber dem LEH'/Lademann & Associates

Lebensmittelhandel

Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel verstärkt sich

Das Machtgefüge zwischen Handel und Herstellern verschiebt sich weiter. Die Abhängigkeit der Industrie von ihren Abnehmern im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) hat sich während der vergangenen Jahre stark erhöht. Das ist ein Ergebnis der anonymen Befragung, die Lademann & Associates (L&A), Hamburg, unter Führungskräften in der deutschen Ernährungsindustrie durchgeführt hat. Demnach setzen die Hersteller fast 65 Prozent mit nur drei Hauptkunden aus dem LEH um.

"Nach zahlreichen Fusionen und Übernahmen vereint eine Spitzengruppe von vier Handelskonzernen über 85 Prozent des Absatz- und des Beschaffungsmarkts auf sich. Unsere Studie belegt, dass branchenweit eine Umsatzabhängigkeit der Hersteller von den wenigen verbleibenden LEH-Abnehmern entstanden ist", so Projektleiter Prof. Dr. Rainer P. Lademann. "Die Industrie gerät immer weiter in die Defensive."

Im Durchschnitt entfielen fast 65 Prozent des Umsatzes auf drei Hauptkunden – eine Steigerung um 15 Prozentpunkte in der letzten Dekade. Umgekehrt verfügten nur noch 15 bis 20 Prozent der Hersteller über eine ausreichende Markenstärke, um auf Augenhöhe mit der Spitzengruppe der Abnehmer verhandeln zu können.

Einseitig vorteilhafte Gestaltung der Konditionen

Die Befragungsergebnisse von L&A liefern zahlreiche Indizien dafür, dass sich die führenden Handelskonzerne die strukturelle Abhängigkeit der Industrie zunutze machen, um das Konditionen- gefüge – auch abseits des Verhandlungstischs – einseitig vorteilhaft zu gestalten, heißt es in der Studie. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Hersteller müssen zahlreiche Vorbedingungen akzeptieren, um zu Verhandlungen zugelassen zu werden. Zudem sind knapp 70 Prozent von unlauteren Handelspraktiken betroffen, obwohl mit Inkrafttreten des AgrarOLkG im Juni 2021 die sogenannten schwarzen Praktiken untersagt wurden. Dazu zählen zum Beispiel einseitige Vertragsänderungen, die Nichteinhaltung von Zahlungszielen und kurzfristige Stornierungen.

Auch die in Verhandlungen erzielten Ergebnisse sind von der einseitigen Unverzichtbarkeit der Geschäftsbeziehung geprägt, so Lademann. Die Spitzengruppe der Abnehmer setze Forderungen gegen den Widerstand der Industrie weitgehend durch, ohne gleichwertige Gegenleistungen zu gewähren. Während des gesamten Verhandlungsprozesses können Sanktions- und Drohpotenziale des LEH zum Tragen kommen. Knapp 80 Prozent der von L&A Befragten sehen sich starken Drohungen der führenden Handelspartner ausgesetzt. Knapp 60 Prozent haben bereits Sanktionierungen erfahren.

Spirale von Fusionen und Marktaustritten

Das beobachtbare Machtgefälle ist laut Studienautoren nicht auf hartes Verhandeln des LEH zurückzuführen, sondern auf die mittlerweile strukturelle Abhängigkeit nahezu der gesamten Industrie.

"Ihre Marktposition und ihre Unverzichtbarkeit für weite Teile der Lieferanten ermöglicht den führenden Handelskonzernen eine kollektive Beherrschung der Beschaffungsmärkte", erklärt Lademann.

In der Folge sinke zudem die relative Wettbewerbsfähigkeit des regionalen LEH-Mittelstands gegenüber der Spitzengruppe. So entwickle sich eine Spirale von Fusionen und Marktaustritten auf Handels- und Industrieseite. Zudem würden dynamische Wettbewerbsfunktionen durch sinkende Innovationsmöglichkeiten der Industrie sowie abnehmenden Absatzwettbewerb im LEH nachhaltig geschwächt. Daher drohten den Verbrauchern Einbußen bei der Produktqualität und -vielfalt. Nicht zuletzt durch die Konsolidierung der Ladennetze ist zu befürchten, dass die durch missbräuchliche Praktiken errungenen Sonderkonditionen immer weniger an den Verbraucher weitergegeben werden müssten.

Über die Studie

Für die Studie Verhandlungsspielräume der Industrie gegenüber dem LEH hat Lademann & Associates (L&A) 156 Leiter:innen von Verhandlungsteams sowie Geschäftsleitungen der deutschen Ernährungsindustrie anonym befragt. Die Erhebung fand im vierten Quartal 2021 statt. Ziel war eine vollständige Untersuchung des Verhandlungsprozesses und der effektiven Ausweichalternativen. Schwerpunkte lagen auf den jährlichen Konditionengesprächen, den Vorbedingungen, Verhandlungsergebnissen und Nachverhandlungen sowie Investitionen und Innovationen.


 

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vg 07.03.2022