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Prof. Dr. Joachim Hurth, Ostfalia Hochschule - Quelle: Prof. Dr. J. Hurth; Ina Fliggen

Prof. Dr. Joachim Hurth, Ostfalia Hochschule - Quelle: Prof. Dr. J. Hurth; Ina Fliggen

Preisangabenverordnung

Preisverwirrung steigt

Inwieweit hat die neue Preisangabenverordnung Auswirkungen auf die Preisgestaltung im Lebensmitteleinzelhandel? Noch herrscht Unsicherheit, sagt Prof. Dr. Joachim Hurth, Professor für BWL, insbesondere Handelsbetriebslehre an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. In seinem Gastbeitrag in markenartikel 8/23 erklärt er, wie die Händler die Vorgaben kreativ umgehen und warum eine Verbesserung der Preisklarheit noch nicht erreicht ist:

"Seit dem 28. Mai 2022 gilt eine neue Preisangabenverordnung (PAngV). In §11 'Zusätzliche Preisangabenpflicht bei Preisermäßigungen für Waren' ist geregelt, dass bei Werbung mit Preisermäßigungen – egal ob on- oder offline – der niedrigste Gesamtpreis der vergangenen 30 Tage anzugeben ist. Die neue PAngV stellt eine gravierende Änderung der bisherigen Werbepraxis dar, in der es Standard war, dass mit durchgestrichenen Preisen geworben wurde, ohne dass immer eindeutig war, von wann oder woher die früheren Preise stammten. Ziel der Verordnung ist eine höhere Preistransparenz im Sinne der Kunden.

Dass diese Neuerung durchaus sinnvoll ist, wurde im Rahmen der Recherche für eine Studie zur Preisgestaltung vor und nach der Änderung offensichtlich. So senkte und hob Lidl in seinem Prospekt im Februar 2023 die Preise des Produkts Ritter Sport Schokolade 100g mehrfach und suggerierte somit Preissenkungen, obwohl es sich innerhalb von 30 Tagen um eine Preiserhöhung handelte. Bei dem Vergleichspreis wurde wahrscheinlich der Normalpreis gewählt, der zwischen den Aktionen verlangt wurde.

Nedrigster Preis als Bezugspreis

Lidl und auch anderen Händlern kann zugutegehalten werden, dass aus dem Verordnungstext nicht zwingend hervorgeht, dass sich die angegebene Ersparnis auf den niedrigsten Preis der vergangenen 30 Tage beziehen muss. Es heißt in der Verordnung lediglich, dass dieser »anzugeben ist«. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der niedrigste Preis als Bezugspreis gedacht war und manche Rechtsanwälte interpretieren den Paragrafen auch so. In den »Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse«, erschienen im Amtsblatt der Europäischen Union 29.12.2021, wird das durchaus deutlich gemacht. So heißt es auf Seite 135: Dementsprechend ist die Preisermäßigung unter Verwendung des angegebenen »vorherigen« Preises als Vergleichswert anzugeben, das heißt jede angegebene prozentuale Ermäßigung muss auf dem gemäß Artikel 6a ermittelten »vorherigen« Preis beruhen.

Wenn beispielsweise die Preisermäßigung mit '50 % reduziert' bekannt gegeben wird und der niedrigste Preis in den 30 vorangegangenen Tagen 100 Euro betrug, muss der Verkäufer 100 Euro als vorherigen Preis ausweisen, auf dessen Grundlage die Ermäßigung um 50 Prozent berechnet wird, auch wenn der letzte Verkaufspreis der Ware bei 160 Euro lag.

Auch der Richter am Landgericht Düsseldorf, der eine Klage gegen Aldi Süd verhandelte, ist dieser Meinung: »Die Bezugsgröße muss nach der neuen Preisangabenverordnung immer der günstigste Preis der vergangenen 30 Tage sein«, betonte der Vorsitzende (Bender 2022). Dennoch wurde entschieden, dass die Angabe des niedrigsten Preises nicht notwendig sei, da er den Kunden keinen Vorteil biete. Um weitere Klarheit zu schaffen, verklagte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einige Händler erneut im Frühjahr 2023. Die Verfahren laufen noch. Bisher scheinen oder wollen die Händler nicht verstehen, was offensichtlich gemeint ist. Die korrekte Umsetzung ist sicher auch mit einigem Aufwand verbunden und so wird bisher überwiegend eine Vogel-Strauß-Politik verfolgt. (...)"

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Welche Ergebnisse eine empirische Studie der Prospekt-Titelseiten von sieben führenden Lebensmittelfilialisten brachte, wie die Händler bei Angaben tricksen und wieso die Irreführung der Käufer im Ergebnis größer als vor Inkrafttreten der neuen Verordnung scheint, lesen Sie im vollständigen Gastbeitrag von Prof. Dr. Joachim Hurth, seit dem Jahr 2000 Professor für BWL, insbesondere Handelsbetriebslehre an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, in der aktuellen Print-Ausgabe 8/2023 des markenartikel - zur Heftbestellung geht es hier.

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vg 31.08.2023