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Integration von Migranten in Deutschland verbesserungswürdig

Wie es um die sozio-ökonomische Integration der Migranten in Deutschland bestellt ist, hat das Berlin-Institut nun zum zweiten Mal seit 2009 untersucht. Basierend auf 15 Indikatoren aus dem Mikrozensus 2010 hat das Institut einen Index zur Messung von Integration (IMI) erarbeitet.

Im Vergleich mit der Vorgängerstudie wird klar, dass sich über die fünf Jahre nur wenige Fortschritte ergeben haben. Zwar hat sich das Bildungsniveau der Zuwanderer, die in der jüngeren Vergangenheit nach Deutschland gekommen sind, deutlich gegenüber den Werten der Vergangenheit verbessert, doch die Folgen verpasster Integrationsangebote in den vergangenen 40 Jahren sind weiterhin klar zu erkennen, so das das Berlin-Institut. Nicht nur seien Migranten der ersten Generation gegenüber den Einheimischen benachteiligt, auch ihre Kinder und Kindeskinder konnten trotz Verbesserungen in vielen Bereichen noch nicht aufschließen.

Migranten sind zunehmend besser gebildet

Die Bildungsabschlüsse der Migranten fallen laut Berlin-Institut im Durchschnitt umso höher aus, je kürzer ihre Zuwanderung zurückliegt. Während unter den Zugewanderten aus der Zeit der Gastarbeiteranwerbung (1955-1973) der Anteil derjenigen ohne einen Abschluss noch über dem Anteil derjenigen mit einem akademischen Abschluss lag, hat sich das Verhältnis bei den Zugewanderten ab der Jahrtausendwende umgekehrt.

Ein deutlicher Anstieg der akademischen Abschlüsse lässt sich laut Berlin-Institut in der Neuzuwanderung ab 2005 feststellen, als das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft trat. Dieses vereinfache insbesondere die Aufenthaltsrechte für besser qualifizierte Zuwanderer und mache Deutschland damit attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland.

Unterschiedliche Probleme je nach Migrantengruppe

Doch sind nicht alle Migranten gleichermaßen benachteiligt, schreiben die Forscher. Um spezifische Probleme aufzuzeigen, unterscheidet das Berlin-Institut zwischen acht unterschiedlichen Migrantengruppen: Zwischen Aussiedlern, Migranten aus der Türkei, Südeuropa, den sonstigen EU-27-Ländern, dem ehemaligen Jugoslawien, aus dem Ferner Osten, dem Nahen Osten sowie aus Afrika.

Die Itnegration der Aussiedler ist am weitesten fortgeschritten. Sie weisen zusammen mit den Migranten aus den sonstigen Ländern der EU-27 den kleinsten Anteil an gering Qualifizierten auf, so das Berlin-Institut. Der Anteil an gut bis hochqualifizierten liege etwas unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Problematisch scheine jedoch der Übergang von Ausbildung in den Beruf zu sein. So seien Aussiedler deutlich seltener als Einheimische im öffentlichen Dienst, in Vertrauensberufen oder gut bezahlten Jobs zu finden.

Die laut IMI am besten integrierte Gruppe stellen die Migranten aus den sonstigen Ländern der EU-27 (ohne Südeuropa). Sie kommen als Hochqualifizierte zur Weiterbildung oder bereits mit einem Jobangebot nach Deutschland und sind als EU-Bürger den Einheimischen weitestgehend rechtlich gleichgestellt.

Die Gruppe der Migranten aus den südeuropäischen Ländern Italien, Spanien, Griechenland und Portugal dagegen haben noch immer mit der verpassten Integration der Gastarbeitergeneration zu kämpfen, heißt es in der Studie. Gerade bei den selbst Zugewanderten der älteren Jahrgänge liegen die Bildungswerte deutlich unter dem Durchschnitt aller Migranten. Ihre in Deutschland geborenen Kinder und Enkel können diese Defizite nur schwer aufholen. Die südeuropäischen Zuwanderer der vergangenen Jahre gleichen dagegen jenen aus den sonstigen Ländern der EU-27: Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Qualifizierte mit guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, so das Berlin-Institut.

Türkische Migraten mit den stärksten Integrationsproblemen

Wie schon in der Vorgängerstudie zeigen türkische Migranten als zweitgrößte Gruppe die stärksten Integrationsprobleme. Dies ist wie bei den anderen durch die Gastarbeiterzuwanderung geprägten Migrantengruppen im Wesentlichen auf das niedrige Bildungsniveau der Zuwanderer zurückzuführen, so das Berlin-Institut: Jeder fünfte aus der Türkei zugewanderte Mann und jede dritte Frau habe weder einen Schul- noch einen Bildungsabschluss. Deshalb seien türkische Migranten auch im Erwerbsleben oft weniger erfolgreich. Im deutschen Schulsystem gelinge es den Kindern von türkischen Zuwanderern vergleichsweise selten, die Bildungsdefizite ihrer Eltern aufzuholen. Allein türkische Mädchen gehörten im Bildungsbereich zu den Integrationsgewinnern.

Migranten aus dem Fernen Osten, dem Nahen Osten sowie aus Afrika weisen jeweils sehr heterogene Ergebnisse auf – vor allem im Bildungsbereich: In diesen Gruppen finden sich laut Berlin-Institut überproportional viele hoch-, aber auch viele gering qualifizierte Migranten. Darüber hinaus zeige sich hier besonders, wie wenig Deutschland die Potenziale der Zuwanderer nutzt: Denn selbst ein guter Berufsabschluss habe für Migranten aus Drittstaaten nur selten eine adäquate Beschäftigungsmöglichkeit in Deutschland zur Folge.

Was noch zu tun ist

Insgesamt haben sich zwar die Rahmenbedingen für Zuwanderung und Integration in Deutschland deutlich verbessert, so das Berlin-Institut. Doch noch immer fehle es an einer kohärenten Politik, welche die Vorteile der Zuwanderung in den Vordergrund stellt, ohne die Herausforderungen zu missachten. Im wachsenden Wettkampf um die klügsten Köpfe müsse sich das ändern.

Es sind laut Berlin-Institut im Wesentlichen vier Baustellen, auf denen weiter gearbeitet werden muss: Migranten mit niedriger Qualifikation benötigen besondere Aufmerksamkeit, damit sie und vor allem ihre in Deutschland geborenen Kinder faire Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe erhalten. Im Bildungsbereich müssen sich Lehrkräfte und Infrastruktur noch stärker auf eine vielfältige Schülerschaft einstellen. Des Weiteren muss die Öffnung des Arbeitsmarktes auch für Menschen mit ausländischen Abschlüssen vorangetrieben werden. Nicht zuletzt bedarf es einer einheitlichen Datenlage und -interpretation zur Zuwanderung und Integration in Deutschland, auf deren Grundlage Politikentscheidungen getroffen und kontrolliert werden können.

Die Studie wurde unterstützt vom GfK Verein.


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vg 03.06.2014