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Selbstbestimmte Arbeitszeiten: Männer verdienen mehr

Männer, die im Rahmen von Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit über ihre Arbeitszeit selbst bestimmen können, arbeiten länger und verdienen mehr. Frauen haben dagegen kaum finanzielle Vorteile – selbst wenn sie mehr Überstunden machen. Das zeigt eine empirische Untersuchung von Dr. Yvonne Lott (Hans-Böckler-Stiftung) und Dr. Heejung Chung (University of Kent). Ihrer Analyse zufolge besteht die Gefahr, dass selbstbestimmte Arbeitszeiten bestehende Geschlechterungleichheiten verstärken.

Geschlechterdifferenzen gehen vor allem auf Frauen in Teilzeit zurück

Lott und Chung haben für ihre Untersuchung Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2003 bis 2011 ausgewertet. Von den deutschen Beschäftigten haben demnach 45 Prozent feste Arbeitszeiten. Ein weiteres Fünftel hat wechselnde Arbeitszeiten, die der Arbeitgeber vorgibt. Knapp ein Viertel darf im Rahmen von Gleitzeit über Anfang und Ende des Arbeitstags bestimmen, ein Zehntel hat volle Autonomie über die Arbeitszeit. Gravierende Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt es hier kaum.

Dagegen unterscheiden sich die Auswirkungen der Arbeitszeitarrangements erheblich zwischen den Geschlechtern: Wenn Männer von festen Arbeitszeiten zu Gleitzeit wechseln, machen sie im Schnitt eine Überstunde pro Woche mehr, Frauen nur eine halbe Stunde. Wenn männliche Beschäftigte autonom über ihre Arbeitszeit bestimmen dürfen, wächst ihr Überstundenpensum um zwei Stunden, bei weiblichen um eine Stunde. Die Geschlechterdifferenzen gehen vor allem auf Frauen in Teilzeit zurück, Frauen in Vollzeit leisten die gleiche Mehrarbeit wie Männer.

Ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit

Als Erklärung verweisen die Forscherinnen auf die ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit: Weil Haushalt und Kinderbetreuung nach wie vor überwiegend in der Verantwortung von Frauen liegen, nutzten viele Frauen flexible Arbeitszeiten in erster Linie, um ihren familiären Pflichten nachkommen zu können. Tatsächlich konnte Lott in einer früheren Studie zeigen, dass Frauen mit selbstbestimmten Arbeitszeiten weniger Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben. Männer konzentrierten sich dagegen traditionell auf die Erwerbsarbeit und seien daher eher geneigt, länger zu arbeiten.

Geschlechtsspezifische Effekte auch beim Einkommen

Auch bei den Einkommen gibt es geschlechtsspezifische Effekte: Bei männlichen Beschäftigten steigt der Jahresbruttolohn im Schnitt um 1.200 Euro bei Gleitzeit und um 2.400 Euro bei vollständiger Arbeitszeitautonomie. Wenn man die zusätzlichen Überstunden berücksichtigt, bleiben Zuwächse von 1.100 und 2.100 Euro. Das Lohnplus beruht also nicht nur auf der Vergütung der Mehrarbeit, sondern dürfte auch eine Belohnung für höheres Engagement und mehr Produktivität sein. Bei weiblichen Beschäftigten sind dagegen keine signifikanten Auswirkungen auf das Gehalt nachweisbar – auch dann nicht, wenn man nur die Vollzeit-Arbeitnehmerinnen betrachtet.

Diskriminierung durch Arbeitgeber

Die Differenz in den Einkommenszuwächsen erklären Lott und Chung zum einen damit, dass Frauen flexible Arbeitszeiten eher für familiäre Verpflichtungen nutzen als Männer. Dass Frauen in Vollzeit ihre Überstunden ebenso stark ausbauen wie Männer, ohne finanziell davon zu profitieren, deute zudem darauf hin, dass auch Diskriminierung durch Arbeitgeber eine Rolle spielt: Vorgesetzte scheinen Frauen weniger Engagement und Produktivität als Männern zuzuschreiben, selbst wenn sie ihre Leistung mit flexiblen Arbeitszeiten vergleichbar steigern.


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vg 05.09.2016