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Corona-Krise: Massiver Einbruch bei Start-up-Finanzierungen erwartet


Start-up-Finanzierungen 2019 auf Rekordniveau (Quelle: EY)

Nachdem die Finanzierung europäischer Start-ups 2019 ein Rekordniveau erreicht hat und der Gesamtwert der Start-up-Finanzierungen im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent auf 31,1 Milliarden Euro stieg, steht das europäische Start-up-Ökosystem nun aufgrund der Corona-Krise vor einer existenziellen Herausforderung. Ein massiver Einbruch ist zu erwarten.

Das zeigt das Start-up-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie basiert auf einer Analyse der Investitionen in europäische Start-ups. Als Start-ups werden dabei Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind.

Großbritannien baute 2019 Vorsprung aus


Trotz des bevorstehenden Brexits konnte Großbritannien seine Spitzenposition innerhalb der europäischen Start-up-Szene behaupten und sogar ausbauen: An britische Start-ups flossen insgesamt 11,1 Milliarden Euro, das sind 54 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Finanzierungsrunden war allerdings rückläufig: Sie sank um acht Prozent auf 971.

Deutsche Jungunternehmen erhielten 6,1 Milliarden Euro, ein Anstieg um 32 Prozent gegenüber 2018. In Frankreich stiegen die Start-up-Investitionen sogar um 50 Prozent auf 5,0 Milliarden Euro. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich erhöhte sich die Zahl der Finanzierungen: in Deutschland um 13 Prozent, in Frankreich um 14 Prozent. Im europäischen Städteranking lag London mit 9,1 Milliarden Euro und einem Zuwachs von 82 Prozent gegenüber 2018 unangefochten auf dem ersten Platz vor Berlin (3,54 Milliarden Euro) und Paris (3,52 Milliarden Euro).

Bereits im zweiten Halbjahr 2019 war ein Rückgang der Finanzierungsaktivitäten in Europa zu beobachten: Das Investitionsvolumen schrumpfte im Vergleich zur ersten Jahreshälfte um 15 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro, die Zahl der Finanzierungsrunden sank ebenfalls um 15 Prozent auf 1.944. Im Jahr 2020 dürften sowohl die Zahl der Deals als auch die investierten Summen noch deutlich stärker zurückgehen, erwartet Peter Lennartz, Partner bei EY. Wie stark, hänge von der Stärke und Dauer der aktuellen Krise ab. Fest stehe, dass das europäische Start-up-Ökosystem vor der größten Bewährungsprobe seiner Geschichte stehe.

Zahl der Finanzierungen erhöhte sich nur um ein Prozent (Quelle: EY)

Finanzierungsengpässe zu erwarten

Im vergangenen Jahr ist zwar enorm viel Geld an europäische Jungunternehmen geflossen – allerdings ging das Gros der Summe an einige große und bereits mit viel Kapital ausgestattete Unternehmen. Die Mehrzahl der Deals war eher klein. So haben in Deutschland die Top-20-Start-ups (nach Finanzierungssumme) 3,4 Milliarden Euro erhalten – das sind 56 Prozent des insgesamt in Deutschland investierten Kapitals. Das heißt: Auf die übrigen 631 Start-ups entfielen im Durchschnitt nur 4,2 Millionen Euro. 59 Prozent aller Deals in Deutschland lagen sogar im Bereich von höchstens eine Million Euro.

"Die Mehrzahl der Start-ups ist nur für einige Monate durchfinanziert, danach benötigen sie frisches Geld", sagt Lennartz. "Die Hoffnungen der Branche ruhen nun auf dem von der Bundesregierung angekündigten 2-Milliarden-Euro-Schutzschirm für Start-ups."

Eine besondere Herausforderung sei die derzeitige Situation auch für die Kapitalgeber.

"Ein Exit ist jetzt sehr viel schwieriger als vor der Krise – die Bewertungen werden nach unten angepasst", so Lennartz. "Für die Investoren geht es daher nun vorrangig darum, ihre Portfoliounternehmen durch die Krise zu bekommen. Und sie haben im Zweifelsfall zu entscheiden, welche Geschäftsmodelle tatsächlich noch eine Zukunft haben. Für vielversprechende Unternehmen wird es durchaus noch Zwischenfinanzierungen geben – große Neuinvestitionen werden wir aber deutlich seltener sehen als 2019."

Entscheidend sei in dieser schwierigen Situation, dass die gerade gewonnene Breite und Stärke etwa des deutschen Start-up-Ökosystems zumindest grundsätzlich erhalten bleibe. Der Finanzierungsmarkt dürfe nicht vollständig austrocknen – das würde den Technologiestandort Deutschland um Jahre zurückwerfen, so EY.

Es werde auch Unternehmen und Segmente geben, die gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werden.

"Digital Health im weitesten Sinne wird boomen – einige dieser Lösungen waren schon in den vergangenen Jahren in Gang gebracht worden, zum beispiel das eRezept oder Online-Sprechstunden. Hier wird sich jetzt die Entwicklung eindeutig beschleunigen", sagt Lennartz. "BioTech und Medtech werden natürlich auch gewinnen. Die Bereiche Logistik, Food, Online Handel, Online Learning, Online Kommunikation und Saas-Modelle könnten mittelfristig ebenfalls einen Aufschwung erleben. Schwieriger wird es hingegen für Start-ups insbesondere aus den Bereichen Travel, Mobility und Events."

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vg 08.04.2020