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Konsum: Kinderbonus brachte deutlich mehr als Mehrwertsteuersenkung

Der Kinderbonus hat sich als deutlich effektiveres Instrument zur staatlichen Stützung des privaten Konsums in der Corona-Krise erwiesen als die temporäre Mehrwertsteuersenkung. Der Effekt pro eingesetztem Euro aus öffentlichen Mitteln könnte rund doppelt so groß sein. Darauf deuten nach die Studie Wirkung des Konjunkturpakets 2020: Spürbarer Impuls vom Kinderbonus, wenig Wumms durch Mehrwertsteuersenkung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, Ergebnisse einer Umfrage hin, die die Wissenschaftler mit Ergebnissen anderer aktueller Analysen abgeglichen haben. Parallel dazu fallen die Verteilungseffekte des Kinderbonus nach der neuen IMK-Studie deutlich günstiger aus als die der Steuersenkung: Die Einmalzahlung erreichte zielgerichtet Haushalte mit Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen, die im Zuge der Pandemie besonders häufig mit zusätzlichen Ausgaben konfrontiert waren. Dagegen nutzten vor allem Haushalte mit höheren Einkommen die Gelegenheit, durch die Mehrwertsteuersenkung Anschaffungen zu niedrigeren Preisen vorzuziehen.

Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler die dritte Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung aus. Dafür wurden im November 2020 mehr als 6.100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Kantar Deutschland online befragt. Dieselben Personen hatten bereits im April und im Juni Auskunft gegeben, so dass Trends im Zeitverlauf analysiert werden können.

Mehrwertsteuer: Mehr Befragte sehen Preissenkungen, aber nur kleine Minderheit gibt auch mehr aus

Im November konstatierten zwar deutlich mehr Befragte Preissenkungen durch die Mehrwertsteuerreduzierung als das im Juni erwartet hatten. So gaben knapp 30 Prozent an, nach ihrer Beobachtung sei der finanzielle Vorteil durch die niedrigere Steuer zumindest ganz überwiegend an die Endverbraucher weitergereicht worden, im Juni hatten damit nur gut sechs Prozent gerechnet. Lediglich gut 13 Prozent gaben an, die Steuersenkung sei überhaupt nicht auf die Preise überwälzt worden, was im Juni noch fast 35 Prozent erwartet hatten. 56 Prozent berichteten im November von einer teilweisen Weitergabe des Steuervorteils, wovon im Juni rund 58 Prozent ausgegangen waren.

Doch trotz dieser vergleichsweise positiven Erfahrungen bei den Preisen hatte bei der großen Mehrheit der Befragten die Mehrwertsteuersenkung nach eigener Angabe keine Auswirkungen auf das Konsumverhalten – rund 79 Prozent gaben das im November an. Dieser Anteil lag sogar noch etwas über den 75 Prozent, die im Juni angegeben hatten, trotz Steuersenkung keine zusätzlichen Anschaffungen tätigen zu wollen. Lediglich etwa 16 Prozent berichteten im November, sie hätten eigentlich für später geplante Anschaffungen vorgezogen. Gerade einmal 4,5 Prozent gaben an, sie hätten zusätzlich etwas angeschafft, und einige wenige Befragte taten beides.

Mit höherem Einkommen spürbar häufiger den Steuerrabatt genutzt

Die Daten des IMK liefern auch Indizien dafür, dass vor allem Haushalte mit höheren Einkommen die Gelegenheit genutzt haben, während der Mehrwertsteuersenkung zu günstigeren Preisen mehr zu konsumieren. So haben unter den Befragten, deren Haushalt finanzielle Rücklagen hatte, knapp 18 Prozent eigentlich erst für später geplante Anschaffungen vorgezogen. Von den Haushalten ohne Rücklagen taten das lediglich 11,5 Prozent.

Schaut man auf das jeweilige Haushalts-Nettoeinkommen der Befragten, bestätigt sich das Muster, wonach besserverdienende Haushalte stärker profitiert haben: Lediglich 11,3 Prozent der Befragten aus Haushalten mit niedrigen Einkommen unter 1.500 Euro netto monatlich berichteten von Anschaffungen, die sie sonst erst zu einem späteren Zeitpunkt getätigt hätten. Dagegen waren es 19,5 Prozent unter den Befragten mit mindestens 4.500 Euro monatlichem Netto-Haushaltseinkommen.

Kinderbonus: 50 Prozent sofort ausgegeben, 65 Prozent binnen 12 Monaten erwartet

Deutlich höher als bei der Mehrwertsteuersenkung fällt nach den Befragungsdaten die konjunkturelle Wirksamkeit des Kinderbonus aus. Im November, also schon wenige Wochen nach der Auszahlung, gaben 37 Prozent der Befragten mit Kindern an, den Bonus bereits komplett ausgegeben zu haben. Bei weiteren 27 Prozent war die Einmalzahlung zumindest teilweise in den Konsum geflossen. Im Durchschnitt aller Haushalte mit Kinderbonus waren im November bereits 51 Prozent der ausgezahlten Mittel von den Haushalten wieder ausgegeben worden, berechnen Dullien, Behringer und Gechert. Zusätzlich wurden diejenigen, die den Bonus bis dato noch nicht vollständig ausgegeben hatten, nach der geplanten Verwendung des Restbetrags gefragt. Auf Basis der Antworten kalkulieren die Wissenschaftler, dass binnen 12 Monaten nach Auszahlung gut 65 Prozent des Bonus ausgegeben werden dürften.

Damit falle die Konsumwirkung des Kinderbonus je Euro rund doppelt so hoch aus wie bei der Mehrwertsteuersenkung, betonen die IMK-Ökonomen. Besonders hoch ist die beobachtete Ausgabeneigung mit mehr als 80 Prozent vom ausgezahlten Betrag bei kindergeldberechtigten Haushalten, die niedrige Einkommen unter 1.500 Euro netto haben.

Die Studie finden Sie hier.

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vg 04.02.2021