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Timo Sander (l.), Head of Vertical Videos bei Justaddsugar GmbH, und Florian Treiß ist Gründer und Chefredakteur von Locationinsider.de sowie Mobilbranche.de - Quelle: T. Sander/F. Treiss

Timo Sander (l.), Head of Vertical Videos bei Justaddsugar GmbH, und Florian Treiß ist Gründer und Chefredakteur von Locationinsider.de sowie Mobilbranche.de - Quelle: T. Sander/F. Treiss

Handel im Wandel

Die Zukunft der Innenstadt: Bunter Mix aus Handel, Freizeit und Service

Der Einzelhandel durchlebt derzeit schwere Zeiten. Zahlreiche Insolvenzen sorgen für ein Beben in der Handelslandschaft. Galeria Karstadt Kaufhof, Görtz, Ahlers & Co. – sie alle sind in Schieflage geraten. Neue Konzepte für die Innenstädte sind dringend gefragt. 'Handel im Wandel - (Kommunikations-)Konzepte für die Zukunft' – um dieses Thema geht es deshalb bei den JOM Impulsen am 25. Mai 2023. Im Vorfeld sprachen wir mit den Referenten der aktuellen Veranstaltung: Florian Treiß, Gründer und Chefredakteur von Locationinsider.de sowie Mobilbranche.de, und Timo Sander, Head of Vertical Videos bei Justaddsugar GmbH, über Zukunftskonzepte für den Einzelhandel in den Zentren.

markenartikel: Die Einzelhandelsumsätze in den Innenstädten liegen aktuell weiter unter dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. Das zeigt eine Studie des Ifo Instituts. Was sind die Probleme, die Sie sehen?

Florian Treiß: Einerseits ist jede Innenstadt anders, andererseits ist heute wohl eines der zentralen Probleme, dass die Innenstädte auch austauschbar sind – zu sehr sind sie von den immer selben Einzelhandelsketten geprägt. Dadurch sind viele Innenstädte langweilig geworden und es gibt kaum noch etwas zu entdecken. Gleichzeitig gelingt die einfache Bedarfsdeckung auch gut übers Internet – das haben auch weniger online-affine Menschen während der Corona-Pandemie gemerkt. Dadurch ist der Wettbewerb der Innenstädte mit dem E-Commerce noch stärker geworden. Die Verantwortlichen für Innenstädte müssen sich fragen, wie sie es schaffen, dass von den Zentren wieder eine Magnetwirkung ausgeht – und dafür braucht es neue Rezepte.

Timo Sander: Es ist absolut nachvollziehbar, dass immer weniger Leute ihre Einkäufe in der Innenstadt tätigen, da der Einzelhandel in den meisten Fällen kaum nennenswerte Vorteile - bis auf die direkte Verfügbarkeit - für den Verbraucher zu bieten hat. Ebenso ist es im Gegensatz zum E-Commerce durch die begrenzten Ressourcen und Möglichkeiten der Stores schwieriger, innovative Konzepte zu testen, um somit durch eine besondere Customer Journey Kunden anzuziehen. Ein weiteres Problem ist die Corona-bedingte Veränderung im Verbraucherverhalten. Sogar die Menschen, die eigentlich sehr gerne in die Innenstadt gegangen sind, sahen sich durch die Lockdowns gezwungen, ihre Einkäufe online zu erledigen. Daher könnte diese Sensibilisierung für das Online-Shopping natürlich dafür gesorgt haben, dass sich - ähnlich wie bei den jüngeren Zielgruppen - ihre Einkäufe in den E-Commerce verlagert haben.

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markenartikel: Interessant ist die Frage, was eine Innenstadt attraktiv macht – und inwieweit sich hier die Erwartungen der unterschiedlichen Generationen auch unterscheiden?

Sander: Eine Innenstadt ist dann attraktiv, wenn sie einen Mehrwert zu bieten hat. Für alle Generationen sind das selten volle Läden, Schlangen oder Gedrängel, gerade wenn diese Nachteile auch noch mit höheren Preisen im Vergleich zum E-Commerce einhergehen. Dahingegen wird das Vorhandensein von Grünflächen, Parks, Promenaden oder Fußgängerzonen für alle Generationen attraktiv sein. Insbesondere jüngere Generationen schätzen oft Räume für Freizeitaktivitäten und soziale Interaktionen im Freien. Ältere Zielgruppen sind wahrscheinlich eher an der Vielfalt des Angebots der Händler interessiert.

Treiß: Das stimmt. Attraktiv wird eine Innenstadt heute nicht mehr dadurch, dass darin ein großes Kaufhaus von Galeria Karstadt Kaufhof steht. Denn dieses Handelsformat hat sich mehr und mehr überlebt und dürfte allenfalls von älteren Generationen vermisst werden, die dort noch aus Gewohnheit einkaufen. Schauen Sie umgekehrt in die Gen Z, gehört ein solches Kaufhaus sowieso nur in den seltensten Fällen zum Relevant Set.

markenartikel: Und was lockt die Menschen dann noch in die Stadt?

Treiß: Die jüngeren Leute machen nicht per se einen Bogen um den stationären Handel, aber sie werden eher von Malls, Sneaker- oder Modeläden angezogen – und auch von anderen Trends wie beispielsweise vor einiger Zeit den Bubble-Tea-Läden. Erschwingliche Gastronomie-Angebote sind ebenfalls enorm wichtig. Und spannende Events machen Innenstädte ebenfalls zu Anziehungspunkten. Letztlich geht es auch immer darum, Möglichkeiten zu schaffen, bei denen sich Menschen treffen wollen.

markenartikel: Wie sollte demnach die Innenstadt von morgen aussehen?

Sander: Meine Erwartung ist, dass die Innenstadt von morgen mehrere Merkmale aufweisen sollte, um den aktuellen Herausforderungen und den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Eine vielfältige Mischung aus Einzelhandelsgeschäften, Restaurants, Wohnungen, Büros, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Grünflächen sollte vorhanden sein. Die Innenstadt sollte als lebendiges Zentrum fungieren, das rund um die Uhr eine Vielzahl von Aktivitäten und Nutzungen bietet. Unterm Strich sollte sie aber vor allem ein attraktives Erlebnis bieten, das über das reine Einkaufen hinausgeht. Veranstaltungen, Kulturangebote, Kunstinstallationen, Straßenmärkte und gastronomische Vielfalt könnten dazu beitragen, die Innenstadt zu einem Anziehungspunkt zu machen und die Besucher zum Verweilen einzuladen.

Treiß: Die Innenstadt von morgen sollte defintiv weniger monoton sein als die Innenstadt von heute. Sie muss weg vom "Single-Use" des Shoppings hin zu einem bunten Mix aus Handel, Freizeit- und Serviceangeboten. Zugleich müssen Innenstädte dafür sorgen, dass es sicher besser in ihnen wohnen und arbeiten lässt. So kommen automatisch mehr Menschen in die Zentren und können diese revitalisieren.

markenartikel: Sie sprechen damit das Konzept der 15-Minuten-Stadt an, über das Sie auch bei den JOM Impulsen sprechen werden. Was verbirgt sich dahinter?

Treiß: Die Idee der 15-Minuten-Stadt ist, dass sämtliche Einrichtungen, die man zum Leben braucht, innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein sollen – vom Arbeitsplatz über Schulen, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten bis hin zu Grünflächen und Freizeitangeboten. Das Konzept ist damit auch eine Abkehr von der Idee des zentralen Stadtzentrums hin zur Förderung von Kiezen, die einen Mixed-Used-Ansatz aus Wohn- und Gewerbenutzung verfolgen. Es soll den Menschen auch ermöglichen, möglichst wenig Zeit im Auto verbringen zu müssen und die Lebensqualität zu steigern. Vorreiter des Konzepts sind Städte wie Paris oder Barcelona.

markenartikel: Welche Rolle können Markenartikler spielen, um die Innenstädte attraktiver zu machen? Wo sehen Sie Ansatzpunkte?

Sander: Grundsätzlich müssen die Markenartikler und Einzelhändler sich anderer Mechanismen bedienen, um die verlorene Kundschaft wieder zu gewinnen oder zumindest hin und wieder für einen Highlight zu sorgen. Zum Beispiel könnte dies durch exklusive Produkte oder Kollektionen in den Stores erzielt werden. Darüber hinaus könnte eine besondere und vor allem einzigartige Experience im Store für mehr Besuche sorgen. Ob dies durch eine herausstechende Kundenberatung oder ein innovatives Ladenkonzept erzielt wird, ist dabei offen.

Treiß: Schon heute machen ja viele Markenartikler mit eigenen Brand Stores die Innenstädte attraktiver, wobei diese naturgemäß vor allem in größeren Metropolen aktiv sind. Dabei gibt es eine ganze Bandbreite spannender Brand Stores, nicht nur im Bereich Kleidung, sondern zum Beispiel auch von der Schokoladenmarke Lindt oder dem Spielwarenkonzern Lego. Solche Brand Stores ermöglichen Kunden echte Markenerlebnisse mit ihren Love Brands. Neben permanenten Stores können Markenartikler aber beispielsweise auch temporär mit Pop-ups oder speziellen Events in den Städten punkten.

markenartikel: Wie kann hier auch die Technologie neue Chancen eröffnen?

Treiß: Technologie wird sicher nicht alle Probleme lösen, doch noch immer fehlen mitunter gute Services, die online und offline konsequent verbinden. Gerade beim bedarfsorientierten Einkauf stelle ich mir da zum Beispiel smarte Online-Assistenten vor, die genau wissen, wo ich ein bestimmtes Produkt schnell in der Stadt kaufen kann, ohne dass ich dabei eine Odyssee erlebe.

Sander: Die Innenstadt sollte die Chancen der Digitalisierung und Technologie nutzen, um den Einzelhandel, die Kommunikation und die Infrastruktur zu verbessern. Online- und Offline-Erfahrungen könnten nahtlos miteinander verbunden werden, beispielsweise durch innovative Einkaufserlebnisse, digitale Informations- und Navigationssysteme oder Smart-City-Lösungen.

 

 

 

 

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vg 19.05.2023