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Prof. Dr. Sebastian Wolf,  Professor für Werbung und Strategische Markenführung an der Hochschule der Medien - Quelle: Jörg Rohrbacher, HdM

Prof. Dr. Sebastian Wolf, Professor für Werbung und Strategische Markenführung an der Hochschule der Medien - Quelle: Jörg Rohrbacher, HdM

Wirtschaftsethik

Zwischen Marke und Moral

Immer wieder tappen Brands in die Greenwashing-Falle. Doch die Wirtschaftsethik bietet eine Perspektive, die aufzeigt, wie mehr Moral und bessere Kommunikation möglich sind, erläutert Prof. Dr. Sebastian Wolf, promovierter Philosoph und Professor für Werbung und Strategische Markenführung an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart in seinem Gastbeitrag in markenartikel 11/23:

Tue Gutes und rede darüber. Der PR-Klassiker wird für viele Unternehmen zum Bumerang. Zum Beispiel die Kreislauf-Plastikflasche von Lidl oder die 'I am beautiful'-Kampagne von McDonald’s: Shitstorms folgten auf dem Fuße. Der Vorwurf lautet Greenwashing, also dass die Brands versuchen, sich durch ihre Kommunikation als umweltfreundlicher darzustellen als sie sind. Manchmal besteht dieser Vorwurf darin, dass die Angaben der Unternehmen einfach nicht stimmen. In den meisten Fällen aber besteht er darin, dass die kommunizierte Aktion lediglich davon ablenken soll, dass das Unternehmen eigentlich doch ein Umweltzerstörer ist. In vielen Fällen kann man den Marken wohl auch tatsächlich fehlende Authentizität in ihrer Kommunikation vorwerfen.

Doch sind wirklich alle Greenwashing-Vorwürfe berechtigt? Nach einer Studie aus dem Jahr 2022, die South Pole, ein Schweizer Beratungsunternehmen für Emissionsausgleich, veröffentlicht hat, wollen ausgerechnet die innovativsten Marken beim Thema Nachhaltigkeit ihre Programme für mehr Umweltschutz lieber gar nicht erst kommunizieren – aus Angst vor Shitstorms. Diesen Gegentrend zum Greenwashing nennt der Report Greenhushing.

Zumindest einige Marken wollen also wohl wirklich etwas zum Besseren verändern und werden trotzdem des Greenwashings beschuldigt. Offenbar klaffen hier Eigenwahrnehmung der Brands und Fremdwahrnehmung durch die Öffentlichkeit auseinander: Brands sind stolz auf das Geschaffte, die Öffentlichkeit verweist auf alles, was noch im Argen liegt. Diese beiden Perspektiven sind in der Wirtschaftsethik gut bekannt.

Profit und Purpose

Die Perspektive der Öffentlichkeit korrespondiert mit einer Auffassung von Moral, die auf Platon zurückgeht. Sie sieht einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Moral und Wirtschaft. Denn sie setzt utopische Ideale als unbedingt geltend an. Weil diese Ideale aber in der tatsächlichen Wirtschaft nicht realisiert werden, wird diese als unsittlich und verdorben angesehen.

Eine alternative Perspektive geht auf den Platon-Schüler Aristoteles zurück. Hier wird die Geltung moralischer Normen davon abhängig gemacht, ob Menschen diese überhaupt erfüllen können. Wenn die Norm nicht erfüllt werden kann, dann gilt sie auch nicht. Wie Wirtschaftsethiker Karl Homann sagt: »Die fehlende Implementation der Norm schlägt auf die Geltung durch.« Anders gesagt: Wir können von moralischen Subjekten nichts verlangen, was sie prinzipiell nicht in der Lage sind, zu leisten. Oder kurz: ohne Können kein Sollen. In Bezug auf die Nachhaltigkeit von Unternehmen bedeutet dies, dass für Brands nur das moralisch geboten ist, was sie auch umsetzen können. Diese zweite Perspektive nehmen vermutlich die meisten Unternehmen ein.

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Die Frage ist nun, was Marken leisten können und was nicht. Die Wirtschaftsethik von Homann gibt hier eine klare Antwort: Sie können nicht auf Profit verzichten. Der Grund dafür ist das entscheidende Element in unserer kapitalistischen, marktwirtschaftlichen Welt: der Wettbewerb. Denn jeder Verzicht auf Profit im Namen eines anderweitigen (Social-)Purpose läuft Gefahr, ausgebeutet zu werden. Die Folge wäre, dass gerade die Unternehmen, die sich besonders moralisch verhalten, im Wettbewerb untergehen und schlussendlich nur die unmoralischen überleben. Dies ist keine empirische Erkenntnis, sondern eine logische, die sich aus der Struktur des Systems ableitet.

Natürlich gibt es Unternehmen, die sehr wohl auf Profit verzichten, um sich moralischer zu verhalten. Doch obwohl diese Unternehmen aktuell noch am Markt sind, könnten sie durchaus in der nächsten Krise untergehen. Allein aus dieser strukturellen Möglichkeit folgt schon, dass man dieses Verhalten nicht grundsätzlich verlangen kann. Auch folgt daraus, dass manche Unternehmen sich besonders moralisch verhalten, nicht, dass man an alle Unternehmen diesen Anspruch stellen kann.

Ebenfalls bilden Unternehmen wie Patagonia, die hier gerne genannt werden, keine Ausnahme. Denn diese Marke bedient mit ihrer Strategie einen ganz bestimmten Markt und macht gerade deswegen Gewinne – und nicht trotzdem. Dass immer mehr Marken nachhaltiger werden, um Konsumentenbedürfnisse zu befriedigen, ist ebenso kein Gegenargument, denn auch in diesen Fällen sorgt eher die Moral für die Gewinne als umgekehrt. Wenn man also aus strukturellen, logischen Gründen nicht von Marken verlangen kann, dass sie auf Profit verzichten, um moralisch zu handeln, was können sie dann überhaupt tun?

Welche Arten von Handlungen den Unternehmen bleiben, wieso man dabei zwischen Spielzügen und Spielregeln unterscheiden muss, weshalb Wirtschaftsakteure die Pflicht haben, auf eine Änderung der Spielregeln hinzuwirken, wenn sie erkennen, dass profitables Wirtschaften in bestimmten Aspekten unmoralisch ist, und wie es gelingt, moralischen Impact zu generieren - in der richtigen Lautstärke in den richtigen Kanälen - lesen Sie im Gastbeitrag von Prof. Dr. Sebastian Wolf, seit 2022 Professor für Werbung und Strategische Markenführung im Studiengang Werbung und Marktkommunikation an der Hochschule der Medien in Stuttgart, in markenartikel 11/23Zur Bestellung geht es hier.

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vg 08.12.2023