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v.l.: Cathrin Wittekind (Toluna), Dr. Hannes Fernow (GIM Foresight) und Lena Kurzmann (Dialego) - Quelle: Maya Meiners Fotografie, GIM, Toluna

v.l.: Cathrin Wittekind (Toluna), Dr. Hannes Fernow (GIM Foresight) und Lena Kurzmann (Dialego) - Quelle: Maya Meiners Fotografie, GIM, Toluna

Marktforschung

Konstant präsent

Nachhaltigkeit beschäftigt die Konsumenten trotz der aktuellen Krisen. Der Wunsch, das Verhalten zu verändern, ist da. Lena Kurzmann (CEO Dialego), Uwe Stüve (Geschäftsführer der Gess Group), Petra Süptitz (Director Marketing & Consumer Intelligence bei GfK), Dr. Hannes Fernow (Senior Director GIM Foresight), Sören Scholz (Geschäftsführer Interrogare), Fernando Reimann (Insight Lead Germany bei Nielsen) und Jan Otto (Business Development Manager bei Toluna) und Cathrin Wittekind (Enterprise Account Director bei Toluna) sagen, welche Trends sie sehen und was Verbraucher von Marken erwarten.

markenartikel: Nachhaltigkeit ist in der Marktforschung ein viel untersuchtes Thema. Die Konsumenten haben derzeit allerdings zahleiche andere Dinge auf der Agenda, etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg, die Inflation und die Energiekrise. Hat sich die Rolle der Nachhaltigkeit dadurch verändert?

Sören Scholz: Das Thema hat in den vergangenen Jahren gelitten. Weniger in der Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit grundsätzlich richtig und wichtig ist, sondern vielmehr in der Umsetzung. Nachhaltigkeit bringt den einzelnen Konsumenten unmittelbar sehr wenig – außer gegebenenfalls das Gefühl, etwas langfristig Positives zu tun. Die aktuellen Krisen haben aber das Konsumklima deutlich verschlechtert. Dies hat starke Auswirkungen, da es nun für die Konsumenten einfache Ausreden gibt, um nicht-nachhaltiges Konsumverhalten zu begründen. Frei nach dem Motto: »Ich wäre ja eigentlich gerne nachhaltig, aber ich kann es mir nicht leisten.«

Dr. Hannes Fernow: Das ist auch unsere Einschätzung. Das Thema hat hohe Relevanz bei der Mehrheit der Menschen und ist gekommen, um zu bleiben. Der Klimawandel verschwindet nicht einfach wie eine Modeerscheinung. Er ist kein Trend, sondern Teil unserer Wirklichkeit. Allerdings fehlen aufgrund der komplexen Dynamik der Krisen im Moment die Ressourcen, um grüne Einstellungen und Werte immer und überall in tatsächliches Verhalten zu übersetzen. Zum Teil geht es dabei um mentale Ressourcen, aber aufgrund von Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit vor allem um finanzielle Ressourcen. In der Folge wird das Thema im Moment sehr selektiv angegangen.

Petra Süptitz: Die Top-Sorgen der Menschen in Deutschland drehen sich momentan in der Tat ums Geld. Die Inflation und die damit verbundenen Preissteigerungen sind derzeit die größte Sorge der Verbraucher, gefolgt von der Angst, Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Aber auch die Besorgnis über den Klimawandel bleibt ein wichtiges Thema. Der Schutz der Umwelt rangiert auf Platz 12 der 57 wichtigsten persönlichen Werte. Das Thema Nachhaltigkeit bleibt also relevant. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen Personen mit und ohne finanzielle Sorgen.

markenartikel: Inwiefern?

Süptitz: Für ein Drittel der Personen ohne finanzielle Sorgen gehört der Klimawandel zu den drei wichtigsten Themen, während dies nur für 22 Prozent der Personen mit finanziellen Bedenken zutrifft. Wer sich also Gedanken um Inflation und Preissteigerungen macht oder Angst hat, seine Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, für den hat der Klimawandel derzeit eine geringere Priorität.

Cathrin Wittekind: Das stellen wir ebenfalls fest. Der Klimawandel und damit auch ein nachhaltiges Verhalten aller gesellschaftlicher Gruppen spielen eine wichtige Rolle für die Konsumenten. Jedoch werden diese Bedenken durch aktuelle Probleme überlagert. Mehr als die Hälfte der Verbraucher weltweit ist sehr besorgt über die steigenden Lebenshaltungskosten, die Inflation und die Energiekrise.

markenartikel: Nachhaltigkeit ist vielen Menschen also aktuell zu teuer?

Wittekind: Die steigenden Kosten haben massive Auswirkungen auf den Konsum von nachhaltigen Produkten. Um mit dem erwarteten Anstieg der Lebenshaltungskosten in den kommenden drei Monaten umzugehen, planen 13 Prozent der Verbraucher, ihren Konsum von nachhaltigen Produkten zu reduzieren. Elf Prozent beabsichtigen, weniger Bio- und Fair-Trade-Produkte zu kaufen.

Lena Kurzmann: Nachhaltigkeit hat bei Kaufentscheidungen klar an Bedeutung verloren. Unsere Erfahrungen mit Kunden aus dem Lebensmitteleinzelhandel und der FMCG-Branche zeigen, dass hier das Basic-Thema Preis-Leistung wieder stärker in den Fokus rückt. Dies ist nicht verwunderlich, aber es gibt aus meiner Sicht mehr Gründe als nur den zunehmenden Kostendruck. Konsumenten möchten sich nicht länger blind auf grüne Versprechen verlassen. Um mehr für Produkte zu zahlen, ist echtes Vertrauen in die Nachhaltigkeitsbemühungen einer Marke notwendig. Doch dieses Vertrauen ist oft nicht vorhanden. Es mangelt an klaren Orientierungspunkten und glaubwürdig nachhaltigen Marken.

Fernando Reimann (Nielsen) und Petra Süptitz (GfK) - Quelle: Nielsen, GfK

markenartikel: Woran liegt das?

Kurzmann: Viel Menschen fühlen sich überfordert und fordern eine stärkere Verantwortungsübernahme seitens der Unternehmen und Marken. Ein positiver, hoffnungsvoller Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen scheint aber häufig zu fehlen. Konsumenten zweifeln zunehmend an der eigenen Wirksamkeit, da die Aktivitäten von Marken für sie oft nicht transparent sind. Es sinkt das Gefühl, mit der eigenen Kaufentscheidung einen wirklichen Unterschied bewirken zu können.

Jan Otto: 64 Prozent der Verbraucher würden ja gerne vermehrt Entscheidungen über die Auswahl von Marken aufgrund ökologischer und sozialer Faktoren treffen, verfügen jedoch nicht über ausreichende Informationen. 62 Prozent sind finanziell nicht in der Lage, nachhaltiger einzukaufen. Optimistisch stimmt mich aber, dass drei von vier Personen angeben, dass ihnen die soziale Verantwortung von Marken trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage entweder genauso wichtig oder sogar wichtiger geworden ist. 60 Prozent haben eine Marke in ihre Auswahl aufgenommen oder verwenden sie häufiger aufgrund ihrer positiven Umwelt- und Sozialaktivitäten.

Fernando Reimann: Natürlich ist es möglich, dass in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit, hoher Inflation oder Kriegen die Aufmerksamkeit der Konsumenten vorübergehend stärker auf unmittelbare wirtschaftliche oder sicherheitsrelevante Anliegen gerichtet ist. Jedoch zeigen viele Studien, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Wunsch nach nachhaltigen Produkten trotzdem aufrechterhalten bleiben oder sogar steigen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die globalen Herausforderungen wie der Klimawandel weiterhin präsent sind und eine langfristige Bedrohung für die Umwelt darstellen. Die Verbraucher erkennen zunehmend die Notwendigkeit, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, um langfristige Umweltauswirkungen zu mindern.

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Uwe Stüve: Inflation, Krieg und Corona-Pandemie beeinflussen natürlich das Verbraucherverhalten. Insbesondere der Stillstand von bisher ungekanntem Ausmaß hat Einfluss auf bestehende Markenpräferenzen, Markenbewusstsein und somit den Konsum. Allerdings sind gerade das aufkeimende Verständnis für größere Zusammenhänge und die persönliche Betroffenheit ein Treiber für nachhaltigeres Verhalten.

markenartikel: Die Verbraucher handeln also entsprechend?

Stüve: Nachhaltigkeit spielt trotz anderer drängender Themen eine entscheidende Rolle im Bewusstsein der Konsumenten. Die steigende Anzahl von Umweltproblemen und die globale Erwärmung haben das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum geschärft. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der langsam, aber stetig voranschreitet und durch alle Teile der Gesellschaft diffundiert.

Reimann: Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Glaubensfrage oder moralische Abwägung, sondern das Thema hat auch einen messbaren Einfluss auf das Konsumverhalten und die Präferenzen der Verbraucher. Ob geänderte Kaufentscheidungen, eine Justierung bei der Markenauswahl, die Bereitschaft zu höheren Preisen oder die Nachfrage nach transparenten Informationen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen bei Online-Bewertungen – Marktforschungsstudien zeigen nachweislich eine höhere Relevanz nachhaltigkeitsbezogener Themen im Zuge der Kauf- und Konsumentenscheidungen.

v.l.: Jan Otto (Toluna), Uwe Stüve (Gess Group) und Sören Scholz (Interrogare) - Quelle: Larocca Loredana, Toluna, Interrogare

markenartikel: Und das über alle Altersgruppen hinweg?

Reimann: Nachhaltige Praktiken können die Markenloyalität stärken. Verbraucher neigen dazu, Marken zu bevorzugen, die sich aktiv für Umweltschutz und soziale Verantwortung engagieren. Dies gilt derzeit besonders für die jüngeren Generationen, die verstärkten Wert auf nachhaltiges Konsumverhalten legen und ihre Produktpräferenzen und Markenwahl danach ausrichten. Sie wünschen sich Transparenz bezüglich der Herkunft, Herstellungsprozesse und Umweltauswirkungen von Produkten. Nach und nach schwappt dieser Trend auf weitere Altersgruppen über.

Süptitz: Bei nachhaltigen Zielgruppen denken die meisten sofort an jüngere Generationen wie die Generation Z oder Millennials. Unsere Daten zeigen jedoch, dass ältere Konsumenten oft nachhaltiger handeln. Während sich 72 Prozent der Babyboomer um den Klimawandel sorgen, sind es bei der Gen Z nur 59 Prozent. Auch bei nachhaltigen Aktivitäten wie Recycling, Wasser- und Stromsparen oder Müllvermeidung sind die Älteren oft aktiver. Dagegen handelt die Mehrheit der Gen Z vor allem dann nachhaltig, wenn es zum eigenen Lebensstil passt.

markenartikel: Inwiefern das?

Süptitz: Sie legen Wert auf Nachhaltigkeit, möchten aber dennoch nicht auf Fernreisen, die neuesten technischen Geräte oder modische Kleidung verzichten. Gleichzeitig vermissen sie oft Produkte, die umweltfreundlich verpackt oder produziert sind und ihren Ansprüchen entsprechen. Zudem stellen knapp 36 Prozent der Gen Z ihre finanzielle Sicherheit über Umweltaspekte, auch aufgrund des meist geringen Einkommens.

Inwieweit die Diskrepanz zwischen dem, was die Konsumenten sagen, und dem, wie sie letztlich handeln, ein Aspekt ist, der ihnen im Rahmen ihrer Studien begegnet, welche weiteren Trends sie mit Blick auf die Themen Nachhaltigkeit, Konsum und Verbraucherverhalten sehen, wie sich die Relevanz des Themas voraussichtlich entwickeln wird und was das alles letztlich für Marken und die Markenführung bedeutet, lesen Sie im kompletten Interview in markenartikel 1-2/2024. Zur Bestellung geht es hier.
 

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vg 16.02.2024