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Peter Ströll, Mitglied der Geschäftsführung der Kölner Namingagentur Nambos GmbH - Quelle: Nambos

Peter Ströll, Mitglied der Geschäftsführung der Kölner Namingagentur Nambos GmbH - Quelle: Nambos

Naming

Namensentwicklung mit ChatGPT: Hilfe oder Hürde für Produkt- und Firmennamen?

In vielen Branchen und Unternehmensbereichen wird seit über einem Jahr intensiv mit ChatGPT experimentiert. Das Tool kann in vielen Markenprozessen nützlich sein, hat aber auch klare Grenzen, insbesondere bei der Entwicklung von Produkt- und Firmennamen, die das Fundament jeder Marke darstellen, sagt Peter Ströll, als Mitglied der Geschäftsführung der Kölner Namingagentur Nambos verantwortlich für das Research & Legal Department. In seinem Gastbeitrag für markenartikel-magazin.de erläutert er, was Künstliche Intelligenz (KI) kann - und was nicht:

Es ist verlockend: ChatGPT liefert zweifellos viele Ideen, Anregungen und gut strukturierte Texte in Kreativprozessen, vorausgesetzt, es wird mit den richtigen Anweisungen gefüttert. Zwar gab es in der Vergangenheit bereits KI-Anwendungen, die beispielsweise bei der Auswertung großer Datenmengen geholfen haben, aber diese waren eher für fachkundige Benutzer verfügbar. Der Erfolg von ChatGPT liegt sicherlich darin begründet, dass es für jeden zugänglich ist und schnell gute Ergebnisse liefert. Sicher kann ChatGPT auch Namen machen. Allerdings sind zuletzt zunehmend Namen-Eigenkreationen von Unternehmen aufgetaucht, die nicht nur wenig Erfolgspotenzial hatten, sondern aus rechtlichen Gründen nicht verwendbar waren. Vor kurzem mussten beispielsweise bei Amazon Produktlistings geändert werden, die offensichtlich durch automatisierte Warenbezeichnungen per ChatGPT erstellt wurden. Dennoch können KI-Tools durchaus hilfreich sein, sofern strategische Informationen einbezogen werden und man nicht erwartet, schnell einen einzigartigen, einprägsamen und insbesondere markenrechtlich verwertbaren Produktnamen zu kreieren.

Potenziale und Grenzen

Jeder Namensfindungsprozess beginnt mit dem Briefing seitens des Auftraggebers, das mit mehreren Personen durchgeführt werden sollte, die in das Projekt involviert sind. Dadurch kann man erfahren, welche unterschiedlichen Meinungen, Erwartungen und Anforderungen diese an den zu findenden Namen haben. Auch viel zwischenmenschliche Chemie und unausgesprochene Emotionen werden dabei deutlich. Wesentliche Infos sind außerdem die Produkt- oder Firmenziele, die Einsatzbereiche – wie Branchen und Regionen – sowie die anvisierten Zielgruppen.

Diese Vorarbeiten müssen zwar auch bei der Verwendung von ChatGPT geleistet werden. Chattie, wie das KI-Tool oft genannt wird, ist in dieser Hinsicht aber kein guter Berater. Er liefert nur, was bestellt wird, denkt nicht strategisch oder gar über den Tellerrand hinaus und kann keine Erfolgsaussichten einschätzen. Zudem: Wer möchte diese vertraulichen Details in ein Tool eingegeben, das sich aus der Menge solcher Informationen speist und wieder ausspielt?

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Passende Prompts

Angenommen, Sie sind bereit, unternehmensstrategische Informationen preiszugeben, und geben die Prompts genau vor. ChatGPT liefert meist lexikalische Kombinationen. Diese können gute Denkanstöße sein und dabei helfen zu unterscheiden, was passt und was nicht. Allerdings sind diese noch nicht geprüft und häufig markenrechtlich problematisch, wenn sie beschreibend sind. Und ChatGPT liefert keine Abstraktionen, obwohl gerade abstrakte Namen besonders einprägsam und einzigartig sind.

Hier ein Test: Wir baten ChatGPT um "zehn abstrakte Markennamen für eine Non-Food-Eigenmarke eines Supermarktes". Zugegeben, dieser Prompt war nicht sehr genau, dennoch zeigen die Ergebnisse, worum es geht. Die Vorschläge waren: StoreSelect, EssentialsPlus, PrimeGoods, SelectEssence, CoreChoice, ValueVault,BasicBest, PurePantry, SmartStock, ChoiceCraft und ähnliche. Alle diese Namen sind beschreibend, leicht austauschbar und schwierig markenrechtlich zu schützen.

Einsatzbereiche eingrenzen

Ob ein Produkt- oder Firmenname geeignet ist, hängt auch von den jeweiligen Einsatzbereichen ab. In der Pharmabranche gibt es zum Beispiel umfassende gesetzliche Regeln, die eine KI nicht berücksichtigen kann, etwa potenzielle Irreführung durch Heilsversprechen. Auch marken- und wettbewerbsrelevante Zusammenhänge wie die Unternehmensgeschichte und -werte, die Zielländer, den Umfang des Markenschutzes und der Markenklassen sowie Domainanforderungen werden von der KI nicht erfragt und berücksichtigt. Aspirin ist ein erfolgreicher Kunstname. Fragt man ChatGPT nach einem abstrakten Namen für ein Schmerzmittel, schlägt es PainReliefX, ReliefEase, AcheAway, ComfortEase, PainGone und ähnliche vor.

Sie merken: Rein Funktion beschreibend! Und: Alle diese Namen sind "Heil-versprechend" und würden gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen.

Sprachgefühl und Mehrdeutigkeit

International genutzte Namen unterliegen vielen sprachlichen Einflüssen, einschließlich unterschiedlicher Melodien, Endungen, Präfixen etc. Es braucht viel Sprachgefühl, um diese so zusammenzufügen, dass der Name in den relevanten Anwendungsgebieten gut funktioniert, das heißt leicht auszusprechen ist und intendiert klingt. Erkennt ChatGPT sprachliche Probleme, die manchmal nur durch einzelne Silben innerhalb eines Wortes entstehen? Oder Mehrdeutigkeiten?

Besonders prominente Fehlgriffe findet man in der Autoindustrie. Der Klassiker: Mitsubishis Pajero wurde auf dem spanischen Markt in Montero umbenannt. Niemand hatte an die dortige Bedeutung ("Wichser") gedacht. Das hätte ChatGPT vermutlich auch nicht. Es empfiehlt sich also dringend, alle KI erstellten Vorschläge auch auf solche Details abzuklopfen.

Rechtliche Hürden

"Bitte überprüfen Sie die Verfügbarkeit dieser Namen, um sicherzustellen, dass sie nicht bereits von anderen Marken verwendet werden." Hinter dieser kurzen Anmerkung von ChatGPT steckt der wohl wichtigste und – bei Verletzung – folgenschwerste Bereich im Zusammenhang mit der Nutzung von KI: die juristische Seite. Abgesehen davon, dass die generelle Frage nach den Urheberrechten, die bei der Kreation durch KI entstehen, noch nicht abschließend geklärt ist – liegen die Urheberrechte bei den Programmierern der Software oder bei denen, von denen die KI die Inhalte eingesammelt hat? – gibt es viele rechtliche Haken. Denn: Weltweit gibt es mehrere Millionen Markeneintragungen. Hierin die richtige Lücke für das anzumeldende Produkt oder die Firma zu finden, ist aufwändige Detailarbeit. Es geht also nicht nur um die Schutzfähigkeit der eigenen Marke, sondern auch darum, andere Markenrechte nicht zu verletzen. Das kann nämlich zu kostenpflichtigen Abmahnungen und im schlimmsten Falle zur Aufgabe des bereits eingeführten Produktnamens und Schadenersatzansprüchen führen.

In dieser Hinsicht ist Chattie – zum Glück für die Nutzer – klug: "Es ist wichtig zu beachten, dass ich als KI-Modell keine Echtzeitinformationen über Markenrechte habe und keine spezifischen rechtlichen Überprüfungen durchführen kann. Um festzustellen, ob der Markenname {…} verwendet werden darf, empfehle ich, eine professionelle Markenrecherche durchzuführen oder einen Anwalt für Markenrecht zu konsultieren."

Selbst wenn ChatGPT gute Vorschläge liefern würde, was bei unseren Tests nicht der Fall war: Ohne erfahrene juristische Prüfung fehlt es den Namen an Sicherheit. Nur ein rechtlich und sprachlich einsatzfähiger Name ist ein guter Name. Und eine Haftung übernimmt Chattie bestimmt nicht.

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vg 27.02.2024