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Andreas Birkel, Birkel Trading, und Prof. Dr. Konstanze Senge, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - Quelle: Maike Glöckner; infinity images

Andreas Birkel, Birkel Trading, und Prof. Dr. Konstanze Senge, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - Quelle: Maike Glöckner; infinity images

Vertrauensverlust

Die Unsicherheit wächst

Gesellschaftliche Krisen und politisches Chaos führen zu Unsicherheit und Vertrauensverlust. Ohne Vertrauen können Märkte aber nicht florieren. Das sorgt für Probleme. Welche das sind und wie man entgegenwirken kann, darüber berichten Prof. Dr. Konstanze Senge, Professorin für Wirtschafts- und Organisationssoziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Andreas Birkel, Inhaber von Birkel Trading in Bochum, in ihrem Gastbeitrag in markenartikel 1-2/24:

Man muss schon zugestehen, dass die jetzige Ampelregierung zu denkbar schwierigen Bedingungen gestartet ist. Die Ministerien und Verantwortlichkeiten hatten sich kaum sortiert, da mussten sie schon auf die denkbar schwierigste Gefährdung unserer im Kern friedlichen Gesellschaft reagieren – Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Zum Dauerthema Klimakrise kam damit nach der Corona-Pandemie die reelle Gefahr eines Krieges für Deutschland hinzu. Das führte zu einer Krise bei der Energieversorgung und verschärfte die Probleme in Bezug auf Zusammenhalt und Migration.

Klima, Corona, Energie, Zusammenhalt und Migration: Europa und Deutschland taumeln von Herausforderung zu Herausforderung – und diese können nicht mit Routinewissen bearbeitet werden. Die Antworten der Regierung erscheinen dabei aus markt- und wirtschaftssoziologischer Sicht oftmals problematisch. Was macht ein Leben im Krisenmodus mit einer Gesellschaft? Und vor allem: Was braucht eine Gesellschaft, um trotz Krisen  ökonomisch funktionsfähig zu bleiben?

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Vertrauen als grundlegender Kitt

Eines ist klar: Leben im Krisenmodus führt zu Ungewissheit und Vertrauensverlust. Vertrauen entsteht ganz formal dann, wenn das, was heute gilt, auch morgen noch Bestand hat. Nur wenn das der Fall ist, ist Berechenbarkeit gegeben und Planung möglich. Und nur wenn ich in die Zukunft planen kann, bin ich bereit zu investieren. Nun kann man natürlich sagen, dass jede (ökonomische) Entscheidung in die Zukunft gerichtet ist und diese immer ungewiss ist. Das ist auch richtig, aber wir Kulturmenschen haben uns Mechanismen erschaffen, mit denen wir Ungewissheit überwinden können. Einer dieser Mechanismen ist Vertrauen: Vertrauen nimmt Zukunft vorweg und schafft die Möglichkeit des Weiterhandelns, auch wenn faktisch keine ultimative Sicherheit gegeben ist.  

Deshalb ist die Herstellung von Vertrauen der grundlegende Kitt, um eine von Krisen gebeutelte Gesellschaft zu beruhigen und trotz der Ungewissheiten weiter zu funktionieren. Vertrauen, sei es nun zwischen Personen oder in abstrakte Systeme wie die Politik oder die Wirtschaft, wird immer dann entzogen, wenn die Personen oder das System in ihrem Handeln nicht widerspruchsfrei bleiben. Als Resultat bildet sich Misstrauen.

Der Entzug von Vertrauen und die Existenz von Misstrauen sind problematisch für Systeme, die beides brauchen – wie eben Politik und Wirtschaft. Nicht nur John Maynard Keynes, auch Jocelyn Pixley, George Akerlof und Robert Shiller haben auf die makroökonomische Bedeutung der Animal Spirits und von Vertrauen hingewiesen. Wir, die Autoren, würden sogar noch weiter gehen und sagen, dass der moderne Kapitalismus ohne positive Emotionen wie Optimismus und Vertrauen nicht bestehen kann. Denn ohne Vertrauen wagt kein Unternehmer die Investition in eine ungewisse Zukunft. Auch die Finanzmärkte sind auf Vertrauen in die Märkte angewiesen. Sie sind davon abhängig, dass Finanzmarktakteure, um Investitionen zu tätigen, zukünftige Situationen antizipieren und die Zuversicht haben, dass sie so eintreten wie antizipiert. Nur deshalb sind diese Akteure bereit, aktiv zu werden. Finanzmärkte brauchen demnach das gute Gefühl und Vertrauen für ihre Reproduktion.

Nimmt man die genannten Prämissen für die Bedingung von Vertrauen ernst und akzeptiert die elementare Bedeutung für die Reproduktion der Märkte, dann wird schnell ersichtlich, was der derzeitige politische Schlingerkurs mit widersprüchlichen, zum Teil korrigierten und revidierten Entscheidungen ökonomisch bedeutet. Ganz konkret seien hier eine Reihe von Gesetzen und Investitionsvorhaben genannt wie die Strompreisbremse, das Gebäude-Energie-Gesetz, das Heizungsgesetz, das Mautgesetz und der Klima- und Transformationsfonds.

Anhand des Beispiels der Strompreisbremse erläutern Senge und Birkel in markenartikel 1-2/24 die nichtintendierten Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die Märkte, zeigen die Folgen fiktiver Erwartungen und erklären, warum Misstrauen sich fortpflanzt. Zur Bestellung geht es hier.

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vg 05.03.2024