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Kommentar: Coca-Cola bei Aldi - Gefahr der Preisschlacht

von Prof. Dr. Martin Fassnacht und Dipl.-Kfm. Jerome Alexander Königsfeld     

Seit der vergangenen Woche ist es offiziell: Coca-Cola gibt es jetzt auch bei Aldi. Damit dürfte der erfolgreichste Händler Deutschlands einen Strategiewechsel eingeleitet haben. 1,25-Liter der beliebten Kult-Brause konnte der Kunde bereits in der vergangenen Woche für 99 Cents in einzelnen Aldi-Filialen erstehen. Das entspricht exakt dem Preis des Hauptwettbewerbers Lidl. Erleben wir jetzt eine neue Rabattschlacht im Lebensmitteleinzelhandel?

Der momentan noch vorherrschende Preisfrieden könnte leicht ins Wanken kommen: Der Discountkonkurrent Lidl als klassischer Vertreter der High-Low-Preisstrategie hat in der Vergangenheit auch immer wieder Coca-Cola bei Aktionen deutlich unter 99 Cent angeboten. Auf solche Aktionen wird Aldi in Zukunft reagieren müssen, um seine Preiskompetenz zu waren. Aber auch die Vollsortimenter wie Rewe oder Edeka, die zur Zeit noch 99 Cent für die 1-Liter Flasche verlangen und somit rund 25 Prozent teurer sind als die Discounter, könnten in Versuchung geraten, den Preis von Aldi bei Aktionen zu unterbieten.
 
Aldi wird einen Großteil des neuen Coca-Cola Absatzes von Wettbewerbern abziehen, Handelsmanager erwarten ein Verkaufsvolumen von insgesamt 140 Millionen Flaschen. Aldis Cola Eigenmarke 'River' wird dabei keine große Rolle spielen, bewegt sie sich doch mit einem Preis von 26 Cent pro Liter in einer anderen Preislage. Die Wettbewerber jedoch werden sicher versuchen, mit aggressiven Rabattaktionen Marktanteile beim strategisch wichtigen Produkt Coca-Cola zurück zu gewinnen.

Impulse zur Entzündung eines Preiskampfes könnten jedoch auch aus der Industrie kommen. Coca-Colas Hauptkonkurrent PepsiCo. wird die Listung von Coca-Cola bei Aldi sicherlich aufmerksam verfolgt haben und Konsequenzen ziehen. Vorstellbar ist insbesondere, dass PepsiCo. in Zukunft vermehrt auf Discounts für den Handel (Trade Promotions) setzen wird, welche den Preiswettbewerb im Markt für Softdrinks zusätzlich anheizen könnten.

Ein so entstehender Preiskampf kann weitreichende Konsequenzen haben, wie ein Blick in unser Nachbarland Österreich zeigt. Um Marktanteile zurückzugewinnen und neue Kundensegmente anzusprechen, listete die Aldi-Tochter Hofer im Juni diesen Jahres erstmalig Coca-Cola zum Einführungspreis von 1,29 Euro für die 1,5-Liter Flasche und somit 20 Cent billiger als bei der österreichischen Konkurrenz, was eine Preisspirale nach unten in Gang setzte. Der Discount-Konkurrent Lidl reduzierte prompt den Artikel um weitere zehn Cent auf 1,19 Euro und die österreichischen Vollsortimenter Billa und Spar zogen nach. Aktuell liegt der Dauerniedrigpreis für Coca-Cola bei Hofer bei einem österreichischen Rekordniedrigpreis von 99 Cent für die 1,5-Liter Flasche.

Ist die Aufnahme von Markenartikeln ins Aldi-Sortiment also grundsätzlich falsch? Dass Aldi, insbesondere Aldi Nord, sich weiterentwickeln muss, um den gestiegenen Kundenansprüchen gerecht zu werden, steht außer Frage. Die aktuelle Modernisierung der Aldi Nord Filialen ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch die Listung einzelner Top-Marken kann helfen, das Sortiment von Aldi aus Sicht des Kunden aufzuwerten und neue Kunden anzusprechen.

Eine neuere Entwicklung im Drogeriesortiment könnte Aldi da auch in die Hände spielen. In der Vergangenheit ist Aldi bei namenhaften Herstellern von Drogerieartikeln wie Beiersdorf immer wieder abgeblitzt. Durch die Schlecker-Pleite ist bei den Herstellern von Kosmetikprodukten jedoch ein erheblicher Teil vom Umsatz weggebrochen, so dass sie erstmalig bereit scheinen, Markenprodukte an Aldi zu liefern. Vertraut man der Fachpresse, so steht die Listung von Elvital von L'Oréal und Nivea von Beiersdorf kurz bevor. Die wichtige Zielgruppe der jungen Familien hat Aldi mit seinem Angebot bislang kaum für sich gewinnen können. Ein attraktives Drogeriesortiment mit bekannten Top-Marken wie Nivea, auf dessen Qualität Konsumenten seit Jahrzehnten vertrauen, würde die Attraktivität von Aldi, insbesondere beim Zielsegment der jungen Familien, steigern.

Trotz der unumstrittenen Vorteile, die Markenprodukte für Aldi haben können, bleibt die Listung der Top-Marken ein zweischneidiges Schwert und es wird in Zukunft ein schmaler Grat für Aldi werden, die richtige Balance zwischen Handelsmarken und Herstellermarken zu finden.

Die Gefahr einer Preisschlacht bleibt ungebrochen: schon jetzt kämpft der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mit extrem niedrigen Umsatzrenditen, welche bei vielen Händlern gerade einmal einem Prozent betragen. Eigenmarken bescheren den Händlern in der Regel wesentlich höhere Renditen als Herstellermarken, wohl auch deshalb konnte sich Aldi in den vergangenen Jahrzehnten als Branchenprimus in Sachen Profitabilität behaupten.

Von Plänen, den Anteil an Markenartikeln im Aldi Sortiment radikal auf 25 Prozent und mehr zu erhöhen, wie das Manager Magazin im März berichtete, kann daher nur dringend abgeraten werden. Durch die Aufgabe des Aldi-spezifischen Sortiments würde sich Aldi ständigen Preisattacken von Konkurrenten auf Top-Marken aussetzten. Die Dauerniedrigpreisstrategie wäre somit langfristig nicht mehr aufrecht zu erhalten und eine aus Kundensicht klare Differenzierung von Wettbewerbern, insbesondere von Lidl, wäre auf Dauer kaum noch möglich. 



Die Autoren:

Univ.-Prof. Dr. Martin Fassnacht ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Marketing und Handel an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar/Koblenz. Zudem ist er u.a. Sprecher der Marketing Group, wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Marktorientierte Unternehmensführung (ZMU) und Vorsitzender des Beirats des Henkel Center for Consumer Goods (HCCG).

Jerome Alexander Königsfeld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand mit Schwerpunkt Preismanagement am Lehrstuhl von Univ.-Prof. Fassnacht an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar/Koblenz.


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vg 09.11.2012