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Kommt jetzt der Rückruf des Rückrufs?

Früher war alles ganz einfach. Es galt bei den Instanzgerichten die Regel "was raus ist, ist raus". Dies bedeutete in der Praxis, dass ein Unternehmen, dem zum Beispiel eine einstweilige Verfügung zugestellt worden war, sich nur um die noch im Lager bzw. in seinem Herrschaftsbereich befindliche Ware zu kümmern hatte. Bereits an die Kunden ausgelieferte Ware blieb von dem gerichtlichen Verbot unberührt.

Natürlich konnten die Unterhemen auch damals schon nicht einfach nur die Hände in den Schoß legen und schlicht nichts tun – bestimmte Pflichten, aktiv tätig zu werden, bestanden schon immer. So musste beispielweise die eigene Website geändert werden, wenn darauf ein rechtsverletzendes Produkt noch beworben oder ein irreführender Claim weiter genutzt wurde. Es mussten auch Firmenschilder abmontiert werden, wenn darin etwa eine Markenverletzung zu sehen war. Darüber hinaus musste auf Dritte auch insoweit eingewirkt werden, als diese als Beauftragte des Unternehmens handelten. So musste zum Beispiel eine noch nicht erschienene Werbeanzeige beim Verlag gestoppt werden, und ein noch nicht ausgestrahlter Werbespot musste ebenfalls durch einen aktiven Anruf beim Sender unterbunden werden.

Diese Handlungspflichten fanden ihre Grenze jedoch dort, wo ein Unternehmen keine rechtliche Handhabe mehr hatte, seine Geschäftspartner zu einem bestimmten Handeln zu zwingen. Ware, die der Verkäufer bereits an seine Kunden veräußert und ausgeliefert hatte, befand sich schließlich außerhalb seines Einflussbereichs, sodass er keine Vorgaben mehr machen konnte, was die Kunden mit der Ware zu tun oder zu unterlassen hatten. Richtigerweise verlangten die Gerichte das auch nicht.

'Hot Sox'-Urteil sorgt für Unstimmigkeiten

Ende 2015 änderte sich dies schlagartig und unvermittelt. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), der unter anderem für das Marken- und Wettbewerbsrecht zuständig ist, erließ die sogenannte 'Hot Sox'-Entscheidung, die die Szene erschütterte. Danach soll ein Unterlassungstitel den Schuldner nicht mehr nur verpflichten, die beanstandete Handlung zu unterlassen. Seine Pflichten gehen nach dem Urteil vielmehr so weit, bereits ausgelieferte Ware und auch Marketingmaterial von seinen Abnehmern zurückzurufen. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob der Schuldner einen Anspruch oder sonst eine rechtliche Handhabe besitzt, diesen Rückruf auch durchzusetzen.

Diese Rechtsprechung stieß in der juristischen Diskussion unter Fachleuten weitestgehend auf Ablehnung. Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Rechtsprechung zum Rückruf von Produkten aus den Vertriebswegen in den vergangenen Jahren die Markenartikler in Atem gehalten. Nun scheint es so, als könnte die umstrittene Rechtsprechung doch noch gekippt werden. die Hintergründe erläutert Dr. Richard Dissmann, Partner der internationalen Anwaltssozietät Bird & Bird in München, in seinem Gastbeitrag in Markenartikel 12/2019. Zur Bestellung geht es hier.  



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vg 11.12.2019