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Vertikal-Leitlinie: Mindestpreisrichtlinien können Vorteile haben

Die von der EU-Kommission überarbeiteten Leitlinien für vertikale Beschränkungen (Vertikal-Leitlinien), die zum 1. Juni 2022 in Kraft treten sollen und zu derzeit Stellung genommen werden kann, sorgen für Wirbel. So hat die EU-Kommission in ihrem Entwurf der Vertikal-Leitlinien Markenherstellern mit sogenannten Mindestpreisrichtlinien ein weiteres Instrument in Aussicht stellt, mit dem diese neben der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) Einfluss auf die preisliche Positionierung ihrer Produkte im Handel nehmen können. Mindestpreisrichtlinien könnten dabei sowohl für Hersteller als auch für Händler vorteilhaft sein, meint Tim Brzoska, Senior Partner bei Simon-Kucher & Partners.

"Während in vielen Fällen kommunizierte Aktionspreise sehr stark von den Empfehlungen des Herstellers abweichen, würden die Mindestpreisrichtlinien laut Randziffer 174 'Einzelhändlern verbieten, Preise unterhalb eines bestimmten, vom Anbieter festgelegten Betrags zu bewerben'", so Brzoska. "Solch verbindliche Mindestwerbepreise sind in den USA in Form des Minimum Advertised Price (MAP) schon lange etabliert, sodass sich daraus resultierende Chancen und Herausforderungen für Markenhersteller prognostizieren lassen."

Für einige Aktions-Eckartikel mit sehr geringen Aktionspreisen und folglich sehr geringen Margen werde dies vermutlich zu einem Rückgang der Aktionsfrequenz und einem Preisanstieg führen. Sehr niedrige Verkaufspreise und damit verbunden große Abweichungen von der UVP werde es mit Einführung des neuen Instruments wahrscheinlich nicht mehr geben. Dies werde den Wert des Produkts und auch der Marke stärken. Vom Handel geforderte Investitionen des Herstellers in niedrige Aktionspreise, sogenannte temporäre Artikelstützungen, könnten dann alternativ in gezielte, wertsteigernde Maßnahmen investiert werden, beispielsweise die Ausweitung der Distribution, so der Berater.

"Von großen Preisanstiegen sollte jedoch nicht ausgegangen werden: Zum einen, da Hersteller sonst weniger Aktions-Zeiträume vom Handel bekommen würden, zum anderen, da sonst das Verkaufsvolumen aufgrund von hohen Preissensitivitäten der Shopper massiv zurückgehen könnte", sagt Brzoska. "Bei Produkten und Kategorien, in denen Aktionen maßgeblich für den Gesamt-Umsatz verantwortlich sind, hätten höhere Aktionspreise und der damit verbundene starke Volumenrückgang vermutlich negative Effekte auf die erzielten absoluten Herstellermargen. In jedem Fall wird die Preissetzung für den Hersteller komplexer, muss dieser zukünftig nun noch genauer über die Änderung des Verkaufsvolumens im Zuge einer Veränderung des Shopper-Preises Bescheid wissen. Detaillierte Kenntnisse der Preiselastizitäten der Shopper gewinnen nochmals an Wert für die Aktionsplanung."

Brzoska bezweifelt auch, dass das Markt-Preisniveau gesamthaft nachhaltig stark steigen wird. Auch nach Einführung von Leitlinien zu einem verbindlichen Mindest-Werbepreis werde der Hersteller weiterhin versuchen, seine Wettbewerbsposition gegenüber anderen Marken- und Eigenmarkenherstellern zu stärken. Der Preis sei dabei neben dem Produktwert ein wichtiges Mittel. Somit sei auch nicht davon auszugehen, dass Markenhersteller viele ihrer Werbeplätze an Eigenmarken verlieren werden.

"Ob das Instrument der Mindest-Werbepreise einen Einfluss auf die aktuellen Praktiken haben wird, wird maßgeblich von der gesetzlichen Ausgestaltung und einer strikten Governance durch den Hersteller abhängen", so Brzoska. "Dies bedingt neben der Kontrolle der kommunizierten Preise auch die Einleitung von 'bestrafenden' Maßnahmen für den Handel, sofern dieser Preise unterhalb des MAP bewirbt.

Bei erfolgreicher Etablierung des Instruments würden in Summe sowohl Hersteller als auch Händler durch stärkere Marken und größere Profit-Pools profitieren, glaubt der Berater. Und der Shopper werde auf einige wenige Artikeln zwar leicht mehr zahlen, letztlich jedoch weiterhin von dem sehr niedrigen Marktpreisniveau Deutschlands profitieren können.
 



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vg 24.08.2021