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Werbeverbote

Lebensmittelwerbung an Kinder soll stark beschränkt werden - ZAW kritisiert Verbotspolitik

Bundesernährungsminister Cem Özdemir will Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, stark beschränken. Heute (27.2.) hat er seine Pläne vorgestellt. Die bisherigen freiwilligen Selbstverpflichtungen und Branchenregeln hätten Kinder bisher nicht effektiv vor negativen Werbeeinflüssen schützen können, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Laut dem Ministerium geht es in durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, um Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten.

Künftig wird an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt nicht mehr erlaubt. Als Kinder werden alle unter 14-Jährigen definiert. Die Regelung umfasst alle für Kinder relevanten Medien, darunter auch Influencer Marketing. Konkret sollen folgende Punkte  nicht mehr zulässig sein:

  • An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen für Kinder relevanten Medien.
  • An Kinder gerichtete Außenwerbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.
  • Aufgrund des Werbeumfeldes oder des sonstigen Kontextes an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt, wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann; wenn sie im Kontext mit auch Kinder ansprechenden Inhalten betrieben wird; und wenn sie in Form von Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern betrieben wird zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vor allem von Kindern besucht werden.
  • An Kinder gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.

Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation orientieren.

"Mit einem Gesetz schaffen wir eine bundeseinheitliche Lösung und bessere Regeln für mehr Kinderschutz", heißt es auf der Webseite des BMEL. "Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung für Lebensmittel, die viel Zucker, Fett oder Salz enthalten, zu schützen."

Weitere Fragen und Antworten zum Gesetzentwurf für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung finden Sie hier.

ZAW-Präsident: "Gesetzliche Werbeverbote haben noch kein Kind schlanker gemacht"

Andreas F. Schubert, Präsident des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft e.V. in Berlin, sprach erst kürzlich mit markenartikel-magazin.de über die Sinnhaftigkeit von Verboten, den Aufbau von Ernährungs- und Werbekompetenz, Nachbesserungsbedarf bei allen Beteiligten und wichtige Hebel für eine erfolgreiche Übergewichtsprävention. Zum Interview geht es hier. Auf der Website des ZAW bietet der Verband zudem Informationen rund um das Thema Lebensmittelwerbung.

ZAW kritisiert: Keine evidenzbasierte Politik

Auch zu den vorgestellten Eckpunkte für Werbeverbote im Lebensmittelsektor bezieht der ZAW Stellung.

ZAW-Präsident Andreas F. Schubert: "Das Ministerium arbeitet am falschen Ende. Noch in der vergangenen Woche wurde gegenüber dem ZAW, Verbänden der Lebensmittelwirtschaft und der Werbeträger/Medien vom BMEL bestätigt, dass dem Ministerium keine Wirksamkeitsstudien vorliegen, die einen positiven Einfluss von Werbeverboten auf das Ernährungsverhalten und eine Verringerung der Übergewichtsrate von Kindern belegen. Ungeachtet dessen, geht man heute weit über den Koalitionsvertrag hinaus. Die untaugliche Verbotspolitik nimmt in Kauf, die Refinanzierung von Medien und Sport weitgehend zu beschädigen und den Wettbewerb, darin eingeschlossen den Markterfolg von Innovationen, auszuschalten."

Dass man sich am Nährwertprofilmodell der Weltgesundheitsorganisation orientieren will, sieht der Verband kritisch. Diese seien von der WHO 2015 "in einem intransparenten Prozess erarbeitet" worden. In Portugal, dem einzigen Land, im dem es (modifiziert) herangezogen werde, liege die Übergewichts- und Adipositasrate von Kindern doppelt so hoch wie in Deutschland.

"Die Behauptung des BMEL, es gehe um zielgerichtete Vorschläge, ist irreführend. Tatsächlich ist eine massive Überregulierung geplant. Hierfür gibt es jedoch keine tragfähige Grundlage. Weder politisch, noch rechtlich und auch ernährungs- bzw. medienwissenschaftlich. Lebensmittel sind nicht per se gesund oder ungesund. Vielmehr finden alle Lebensmittel in einer ausgewogenen Ernährung ihren Platz", so Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer ZAW. "Werbung für Lebensmittel hat Einfluss auf die Marktanteile beworbener Produkte. Sie ist erwiesenermaßen aber nicht in der Lage, das Ernährungsverhalten von Kindern ungünstig in Richtung Übergewicht zu beherrschen."

Die Gründe für kindliches Übergewicht seien nicht monokausal mit Werbeverboten zu lösen. Zielführend seien ganzheitliche Ansätze, die den gesamten Lebensstil in den Blick nehmen, die Ernährungs- und Medienkompetenz stärken und dabei der deutlich gestiegenen Bewegungsarmut von Kindern Rechnung tragen, so der ZAW.

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vg 27.02.2023