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Alexandra Parr und Fritz Lischke ((beide Betten & Resch) - Quelle: Studioline München, Christoph Vohler

Alexandra Parr und Fritz Lischke ((beide Betten & Resch) - Quelle: Studioline München, Christoph Vohler

Markenschutz

Markenrecht für die virtuelle Welt

Inwieweit lassen sich für die analoge Welt entwickelte Kriterien des Markenrechts auf Marken im Metaverse übertragen? Welche markenrechtlichen Herausforderungen gibt es? Fritz Lischke und Alexandra Parr (beide Betten & Resch) haben die wichtigsten Aspekte für markenartikel 11/23 zusammengetragen:


Waren Sie schon einmal im Metaverse und haben eine Vorstellung davon, was das ist? Falls Ihre Antwort 'Nein' lautet, gehören Sie zu den 67 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren, die laut Bitkom noch nie etwas vom Metaverse gehört oder gelesen haben. Dennoch sollte die Bedeutung dieses digitalen Ökosystems in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und insbesondere auch markenrechtlicher Hinsicht nicht unterschätzt werden. Das Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. geht davon aus, dass bis zum Jahr 2026 ein Viertel der Bevölkerung mindestens eine Stunde täglich im Metaverse verbringen wird – um dort zu arbeiten, einzukaufen, sich weiterzubilden, unterhalten zu lassen oder soziale Kontakte zu pflegen.

Während das Volumen des Metaverse-Marktes im Jahr 2020 noch 478,7 Milliarden US-Dollar betrug, wird für das Jahr 2024 bereits ein Marktvolumen von 783,3 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Hieraus lässt sich eine jährliche Marktwachstumsrate von 13,1 Prozent errechnen. Andere Studien sind zurückhaltender und sagen bis zum Jahr 2030 ein Marktvolumen von immerhin 597,3 Milliarden Euro voraus. Ein solch rasant wachsendes Marktvolumen ruft natürlich zahlreiche Unternehmen auf den Plan, die ihre Marken auch im Metaverse schützen lassen wollen. So wurden seit Beginn des Jahres 2022 bis heute (Stand: 10.10.2023) in dem vom Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) geführten Markenregister 709 europäische Marken registriert, deren Schutz sich ausdrücklich auf Waren oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Metaverse erstreckt. Im deutschen Markenregister wurden bisher hingegen erst 34 nationale Marken für sich auf das Metaverse beziehende Waren und Dienstleistungen eingetragen (Stand: 10.10.2023).

Was ist das Metaverse?

Bevor auf einige sich aus den Besonderheiten des Metaverse ergebende markenrechtliche Fragestellungen eingegangen werden soll, stellt sich jedoch eine elementare Frage: Worum genau handelt es sich hier überhaupt? Eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition des Begriffs Metaverse existiert noch nicht. Jedoch kristallisieren sich immer deutlicher die Definitionsmerkmale heraus, die kumulativ vorliegen müssen. Danach handelt es sich bei einem Metaverse um den Versuch einer möglichst weitgehenden Übertragung der analogen, realen Welt in eine digitale, dezentrale und meist dreidimensionale Welt, in der Menschen über Avatare in vielfältiger Weise miteinander interagieren können, zum Beispiel in Form von Handel, gemeinsamem Arbeiten, Lernen oder Spielen. Das größte ökonomische Potenzial bietet das Metaverse entsprechend für die Mode-, die Gaming-, Entertainment- sowie die E-Learning-Branche. Derzeit existieren mindestens 14 solcher computersimulierten Welten, zu denen der Zugang bereits möglich ist, zum Beispiel Sandbox oder Decentraland. Tausende weitere befinden sich weltweit noch in der Entwicklungsphase. Auch eine zukünftige Verschmelzung dieser einzelnen Metaversen zu einem einzigen Metaverse ist denkbar.

Von einem, vom realen Universum nicht zu unterscheidenden Paralleluniversums, das alle Sinneswahrnehmungen miteinbezieht, sind wir heute dabei aber noch weit entfernt. Wären die Technologien bereits so weit fortgeschritten, dass sich die analoge Welt vollständig in eine oder mehrere virtuelle Welten spiegeln ließe, könnten der bisherige Regulierungsrahmen und die markenrechtliche Rechtsprechung identisch auf das Metaverse übertragen werden. Auf die Divergenz zwischen realer und virtueller Realität lassen sich letztlich also sämtliche im Zusammenhang mit dem Metaverse auftretende markenrechtliche Probleme zurückführen, von denen einige im Folgenden exemplarisch erläutert werden sollen.

Publikum und Aufmerksamkeitsgrad

Zunächst stellt sich die Frage nach der Bestimmung der normativen Figur des Durchschnittsverbrauchers und nach dessen Aufmerksamkeitsgrad im Metaverse. Der relevante Durchschnittsverbraucher und sein Aufmerksamkeitsgrad spielen in allen Verfahrensarten eine wichtige Rolle. Die für die Marke im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen können sich entweder an die breite Öffentlichkeit richten, zum Beispiel Lebensmittel, und/oder an ein spezielles Fachpublikum, zum Beispiel spezielle Software. Beim Fachpublikum wird grundsätzlich von einem überdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen, bei dem aus der breiten Öffentlichkeit stammenden Durchschnittsverbraucher von einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad. Auch der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers kann jedoch zum Beispiel bei besonders teuren oder die Gesundheit betreffenden Waren überdurchschnittlich hoch sein.

Je höher der Aufmerksamkeitsgrad des angesprochenen Publikums ist, desto eher wird das Amt das Vorliegen eines absoluten Eintragungshindernisses annehmen und desto geringer ist die Gefahr einer Verwechslung der Marken im Widerspruchs-, Nichtigkeits- oder Verletzungsverfahren und umgekehrt. Da der Zugang zum Metaverse nach dessen Konzeption jedem Menschen zustehen soll, richten sich die darin angebotenen Waren und Dienstleistungen regelmäßig an die breite Öffentlichkeit.

Einerseits könnte man den Aufmerksamkeitsgrad dieser angesprochenen Verbraucher als grundsätzlich geringer als in der analogen Welt qualifizieren, da erstens die Kaufentscheidung keinen physischen Vorgang, sondern nur eine wie auch immer geartete virtuelle Willensbetätigung erfordert; zweitens die vom Verbraucher für seine Kaufentscheidung benötigten Informationen durch diesen selbst abgerufen werden müssen; drittens die Bedeutung des virtuellen Produkts für den Verbraucher auf die virtuelle Welt beschränkt ist; und viertens gerade bei virtuellen Computerspielen die Kaufentscheidung häufig impulsartig von den tendenziell jüngeren Nutzern getroffen werden wird. Andererseits erfordert der Erwerb bestimmter im Metaverse angebotener virtueller Güter wie Non Fungible Token (NFT) ein gewisses Spezialwissen und birgt ein nicht unerhebliches Betrugsrisiko, was für einen grundsätzlich erhöhten Aufmerksamkeitsgrad sprechen könnte.

Im Ergebnis wird sich das Verbraucherleitbild nicht allgemein gültig allein aufgrund der beabsichtigten oder tatsächlichen Verwendung der Marke im Metaverse bestimmen lassen. Vielmehr wird diese Bestimmung – wie in der analogen Welt – im Einzelfall anhand der üblichen Kriterien wie Preis und Art des virtuellen Produkts zu treffen sein müssen. Dies stünde auch im Einklang mit der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung zum Verbraucherleitbild im Internet, das zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung von stationärem und elektronischem Handel nicht grundsätzlich abweichend beurteilt werden dürfe.

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Ein weiteres interessantes Themenfeld ist der Vergleich von Waren und Dienstleistungen aus der analogen Welt mit Waren und Dienstleistungen, die im Metaverse geschützt sind und nur dort angeboten werden. Inwieweit hier der Grad der Ähnlichkeit ein wichtiges Kriterium dafür ist, ob zwischen zwei Zeichen eine Verwechslungsgefahr besteht, welche weiteren Risiken die Unterschiede zwischen der virtuellen und der analogen Welt für Markeninhaber bergen, und antworten dazu, inwieweit die Benutzung einer Marke im Metaverse einerseits den Anforderungen des im Markenrecht grundsätzlich geltenden Benutzungszwangs genügen kann, und andererseits, wo der Ort der verletzenden Handlung liegt, wenn im Metaverse eine Markenbenutzung erfolgt, lesen Sie im kompletten Gastbeitrag von Alexandra Parr und Fritz Lischke in markenartikel 11/2023Zur Bestellung geht es hier.

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vg 30.11.2023