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Lieferkettengesetz

Verbände kritisieren EU-Lieferkettenrichtlinie und fordern Nachbesserungen

Quelle: sh99/Adobe Stock

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Die EU-Lieferkettenrichtlinie stößt auf Widerstand, weil sie laut den Kritikern trotz einer wichtigen Zielorientierung in der Praxis für europäische Unternehmen nicht umsetzbar sei. Konkret sprechen sich acht Wirtschaftsorganisationen grundsätzlich für eine EU-weite Regelung zum Schutz von Menschenrechten aus, lehnen den aktuellen Entwurf aber wegen "grober handwerklicher Mängel" ab: der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, der Gesamtmetall, Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, Der Mittelstandsverbund - ZV e.V., die Stiftung Familienunternehmen und Politik, der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, der Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI), der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) sowie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA).

Insbesondere der Mittelstand werde durch die geplanten Regelungen überlastet. Die Organisationen fordern eine Versachlichung der Debatte und appellieren an die Bundesregierung und weitere EU-Staaten, bei ihrer Position der Enthaltung zu bleiben. Ziel müsse es sein, einen Gesetzesvorschlag zu präsentieren, der in der Praxis auch funktioniere und den Schutz von Menschenrechten sowie die berechtigten Interessen der Unternehmen vereine.

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Die Wahrung der Menschenrechte rund um den Globus sei ein Ziel, dem sich deutsche und europäische Unternehmen eindeutig verpflichtet fühlen. Die schweren handwerklichen Mängel in der jetzt zur Abstimmung stehenden EU-Lieferkettenrichtlinie, insbesondere die fehlende Harmonisierung, könnten in den Augen der acht Organisationen jedoch dazu führen, dass deutsche und europäische Unternehmen sich aus Märkten und Ländern zurückziehen. Dann wäre das Feld offen für andere Marktteilnehmer mit deutlich geringeren Standards. Damit würde dem eigentlichen Ziel der EU-Lieferkettenrichtlinie ein Bärendienst erwiesen. Daher brauche es eine Regulierung mit mehr Praxisbezug und Augenmaß.

Deutlich Kritik üben die acht Wirtschaftsorganisationen auch an der vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung für Unternehmen und deren Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte. Deren unkalkulierbare Risiken würden ebenfalls dazu führen, dass Unternehmen sich aus schwierigen Märkten zurückziehen. Hinzu komme der viel zu große Anwendungsbereich der Richtlinie, der weit über den Schutz der Menschenrechte und die eigenen Produktions- und Arbeitsstätten der Unternehmen hinausgehe. Unternehmen sollen demnach fast alle Stufen ihrer Lieferketten global auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie Umwelt- oder Sozialstandards kontrollieren.

Fehlende Verhandlungsmacht

Gerade Industriefirmen hätten häufig jeweils Zehntausende oder sogar eine sechsstellige Zahl von Zulieferern, von denen jährlich ein beträchtlicher Anteil wechselt. Viele Betriebe hätten gar nicht die Verhandlungsmacht, um von ihren Lieferanten der vorgelagerten Stufen den geforderten Einblick in die Lieferkette zu erhalten. Daher sei es sinnvoll, die Sorgfaltspflichten auf das zu beschränken, was Unternehmen auch kontrollieren und beeinflussen können − den eigenen Betrieb, die Tochtergesellschaften sowie die Lieferanten der ersten Ebene der vorgelagerten Lieferkette, bei denen aufgrund der Marktmacht und des Umsatzes ein Einfluss möglich sei.

Ein wichtiger Grund für die ablehnende Haltung ist die fehlende Harmonisierung in wesentlichen Teilen der Richtlinie. Das grundlegende Ziel von Rechtsetzung für Nachhaltigkeit müsse ein Maximalmaß an Harmonisierung sein. Dies werde mit der vorliegenden Richtlinie nicht erreicht. Ohne hinreichend verbindliche Harmonisierung durch eine Richtlinie drohe die Fragmentierung des EU-Binnenmarkts, da innereuropäisch nicht die gleichen Gesetze und Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen gelten. Zudem werde den Mitgliedstaaten damit viel Raum für Interpretation oder zusätzliche Regelungen gelassen. Hier bedürfe es im Mindesten einer sogenannten Binnenmarktklausel. Andernfalls seien europäische Unternehmen mit 27 verschiedenen Einzelumsetzungen konfrontiert.

Darüber hinaus weisen die Organisationen darauf hin, dass die Bundesregierung bereits im Dezember 2022 eine unter allen drei Regierungsparteien abgestimmte Erklärung zur Lieferkettenrichtlinie in Brüssel zu Protokoll gegeben hat, die rote Linien aufzeigte. Unter anderem forderten darin SPD, Grüne und FDP, dass Deutschland nur dann einer finalen Richtlinie zustimmen könne, wenn diese eine "Safe Harbour"-Regelung für Unternehmen enthält, die sich Brancheninitiativen angeschlossen haben. Der Einsatz von anerkannten Zertifizierungen würde eine wesentliche Vereinfachung bedeuten und Unternehmen müssten nicht mehr jeden einzelnen Lieferanten von Neuem prüfen. Der aktuell auf dem Tisch liegende Richtlinienvorschlag schließe eine solche "Safe Harbour"-Regelung jedoch explizit aus.


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sl 14.02.2024