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Unternehmen mit starker Mitbestimmung sind rentabler

Unternehmen, bei denen die Mitbestimmung durch Arbeitnehmer stärker verankert ist, verfolgen häufiger eine meist innovations- und forschungsorientierte Differenzierungsstrategie als Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung. Solche potenziell zukunftsträchtigeren Geschäftsmodelle sind zudem heute unter börsennotierten Unternehmen in Deutschland weiter verbreitet als noch vor gut einem Jahrzehnt, während der Anteil der Unternehmen, die lediglich auf möglichst niedrige Kosten setzen, zurückgegangen ist. Auch Firmen ohne dezidierte Strategie sind deutlich seltener als in den späten 2000er-Jahren.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie von Forschern der Universität Duisburg-Essen, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.

Mitbestimmung sorgt für Prosperität

Über alle strategischen Ausrichtungen hinweg schneiden Unternehmen mit mehr Mitbestimmung bei wichtigen wirtschaftlichen Kennziffern meist überdurchschnittlich ab: Ihre Gesamtkapitalrentabilität ist im Durchschnitt um rund 65 Prozent höher als bei Unternehmen mit schwacher oder ganz ohne Mitbestimmung. Der operative Gewinn (Ebit-Marge) liegt bei stärker mitbestimmten Unternehmen im Mittel um knapp elf Prozent höher, der Cashflow pro Aktie ist sogar mehr als dreimal so hoch wie in Firmen mit wenig Mitbestimmung.

"Mitbestimmung ist nicht nur ein Garant für Standort- und Beschäftigungssicherheit, sondern darüber hinaus auch ein Faktor für wirtschaftliche Stabilität und Prosperität", schreiben die Forscher.

Dies dürfte laut den Forschern bei der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise eine entscheidende Rolle spielen. Wie eine bereits 2019 veröffentlichte Untersuchung zeige, haben mitbestimmte Unternehmen schon die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 besser überstanden als Firmen ohne Mitbestimmung.

Kostenführerschaft oder Differenzierungsstrategie

Das Team aus Ökonomen und Soziologen hat für die neue Untersuchung Daten von 172 Unternehmen ausgewertet, die zwischen 2006 und 2017 durchgehend im deutschen Börsenindex Composite DAX (CDAX) gelistet waren und deren Unternehmensstrategie sich für den gesamten Zeitraum identifizieren ließ. Bei der Abgrenzung der Strategie orientierten sich die Wissenschaftler am Mainstream der betriebswirtschaftlichen Managementlehre: Danach können Unternehmen ganz grundsätzlich auf zwei Wegen versuchen, sich am Markt zu etablieren: Erstens über möglichst geringe Kosten ihrer Produkte (Kostenführerschaft). Zweitens über besondere Produktmerkmale oder Dienstleistungen, die ihren Kunden einen besonderen Nutzen verschaffen, etwa hohe Qualität oder besonders guter Service. Solch eine Differenzierungsstrategie geht meist mit höheren Investitionen in Forschung und Entwicklung einher. Ist sie erfolgreich, können die Unternehmen höhere Preise für ihre Produkte erzielen. Möglich sind auch Mischformen der beiden Strategien.

Ob die Verankerung der Mitbestimmung in den untersuchten Unternehmen über- oder unterdurchschnittlich stark ist, bestimmten die Forscher über den am WZB entwickelten Mitbestimmungsindex (MB-ix). Er verzeichnet unter anderem für jedes Unternehmen, wie viele Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und dessen Ausschüssen sitzen, wie stark die formellen Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans sind oder ob es einen europäischen Betriebsrat gibt. Als stark mitbestimmt werden in der Untersuchung Unternehmen bezeichnet, wenn sie im Vergleich zur Gesamtgruppe eine überdurchschnittlich stark verankerte Mitbestimmung haben und als schwach mitbestimmt, wenn sie unterdurchschnittlich ist.

Häufiger Qualitäts- statt Kostenstrategie

Die Analyse der Forscher zeigt deutliche Zusammenhänge zwischen Stärke der Mitbestimmung und Unternehmensstrategie. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen auf Kostenführerschaft setzt, liegt in Unternehmen ohne Mitbestimmung bei 27 Prozent, während es bei starker Mitsprache der Arbeitnehmer nur zehn Prozent sind. Dagegen wählen stark mitbestimmte Unternehmen doppelt so häufig eine dezidierte Differenzierungsstrategie (25 Prozent gegenüber 12 Prozent). Zudem verfolgen sie etwas häufiger eine Mischstrategie. Dass keine dominante Strategie vorliegt, kommt bei Unternehmen ohne Mitbestimmung etwas häufiger vor.


"Es liegt auf der Hand, dass Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter Diversifizierungsstrategien favorisieren und diese durch ihre Einflussmöglichkeiten über die Mitbestimmung unterstützen", schreiben die Wissenschaftler. "Denn im Gegensatz zur Kostenführerstrategie wird bei den Differenzierern auf hohe Technologieintensität gesetzt, auf Innovationen, was aber nur mit gut ausgebildeten und damit in der Regel höher entlohnten Beschäftigten erreicht werden kann."

Insbesondere in Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel verspreche diese Orientierung tendenziell mehr Zukunftschancen, betonen die Forscher. Darauf weise auch die zahlenmäßige Entwicklung der Strategietypen im untersuchten Zeitraum hin: Zwischen 2006 und 2017 nahm die Zahl der Differenzierer zu: von 16 auf 26 Prozent aller Unternehmen im Sample. Größer wurde auch der Anteil der Firmen mit Mischstrategie (Zunahme von knapp 24 auf 33 Prozent). Dagegen waren 2017 deutlich weniger Unternehmen auf reine Kostenführerschaft aus als 11 Jahre zuvor (Rückgang von knapp 24 auf 15 Prozent) oder verfolgten keine dominante Strategie (36 auf knapp 26 Prozent).

Stark mitbestimmte Unternehmen zeigen bessere wirtschaftliche Performance

Anhand von drei wichtigen betriebswirtschaftlichen Größen messen die Forscher den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg: der Gesamtkapitalrentabilität (Return on Assets, ROA), der EBIT-Marge und dem Cashflow pro Aktie. Unternehmen mit mehr Mitbestimmung schneiden fast immer besser ab. Im Durchschnitt aller 172 untersuchten Unternehmen beträgt der ROA in Unternehmen mit starker Mitbestimmung 4,58 Prozent, während es bei schwach mitbestimmten 2,76 Prozent sind. Die Differenz zwischen beiden Gruppen beträgt also rund 65 Prozent. Noch größer ist der Vorsprung beim Cashflow: Bei starker Mitbestimmung liegt er im Durchschnitt bei 4,95 Euro pro Aktie – das ist gut dreimal so hoch wie in Unternehmen mit schwacher Mitbestimmung (1,39 Euro). Als EBIT-Marge ermitteln die Forscher im Durchschnitt der stark mitbestimmten Firmen 7,77 Prozent. Bei geringer Mitbestimmung sind es 7,01 Prozent (Unterschied: 11 Prozent).

Differenziert man zusätzlich nach Strategietypen, sind die Abstände bei Unternehmen mit Differenzierungsstrategie am größten: Hier schneiden die stärker mitbestimmten Unternehmen in allen drei betriebswirtschaftlichen Größen statistisch signifikant besser ab, der Vorsprung beim ROA beträgt sogar fast neun Prozentpunkte. Bei Firmen mit Kostenführer-Strategie und in der Gruppe ohne dominante Strategie ist der Cashflow pro Aktie mit starker Mitbestimmung signifikant höher, bei den beiden anderen Größen ergibt sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Auch bei Unternehmen, die eine Mischstrategie verfolgen, fällt der Cashflow deutlich stärker aus (5,55 Euro pro Aktie gegenüber 2,04 Euro bei schwacher Mitbestimmung). Bei der EBIT-Marge ergibt sich kein signifikanter Unterschied. Einzig beim ROA der Mischstrategen zeigt sich ein Ausreißer aus dem allgemeinen Trend der Ergebnisse: Während er bei den stark mitbestimmten Unternehmen 5,24 Prozent beträgt, sind es bei schwach mitbestimmten 7,19 Prozent.

Diskussion über Mitbestimmung

Die Mitbestimmung der Beschäftigten kann "eine wesentliche Bedingung für gute Corporate Governance" sein, schlussfolgern die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen. "Das Ringen um adäquate Unternehmensstrategien ist mit Mitbestimmung wirtschaftlich erfolgversprechend. Daher gehören Diskussionen über strategische Themen, die Antworten auf die großen Herausforderungen der heutigen Zeit geben sollen, in den mitbestimmten Aufsichtsrat."



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vg 14.04.2020