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Online-Werbung

Google droht Teilzerschlagung, Verbände begrüßen Vorgehen der EU-Kommission

Quelle: Nyul/Fotolia

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Der Tech-Riese Google verstößt möglicherweise laut der Europäischen Kommission gegen die EU-Kartellvorschriften. Die Kommission hatte Mitte 2021 eine Untersuchung gestartet zu verschiedenen Begünstigungspraktiken auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette für den programmatischen (Ver‑)Kauf von Online-Anzeigenwerbung. Untersucht wurde, inwieweit der Technologiegigant den Wettbewerb im Bereich der Technologien für Online-Werbung (Adtech) verzerrt. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Google seine eigenen Technologiedienste für Online-Display-Werbung zulasten konkurrierender Anbieter solcher Dienste sowie von Werbetreibenden und Online-Verlegern begünstigt. Die Kommission vertritt daher die vorläufige Auffassung, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken nur durch die obligatorische Veräußerung eines Teils der Dienste von Google ausgeräumt werden können.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission: "Wir befürchten, dass Google seine Marktstellung genutzt haben könnte, um seine eigenen Vermittlungsdienste zu begünstigen. Damit hätte Google nicht nur seinen Wettbewerbern, sondern auch den Interessen der Verlage geschadet und zudem die Kosten der Werbetreibenden erhöht. Falls sich die Bedenken bestätigen, würden die Praktiken von Google gegen unsere Wettbewerbsregeln verstoßen."

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Google hat eine beherrrschende Stellung

Google bietet verschiedene Werbetechnologiedienste an, die zwischen Werbetreibenden und Verlegern angesiedelt sind und dazu dienen, Werbung auf Websites oder in Mobil-Apps anzuzeigen. Das Unternehmen betreibt

  • zwei Instrumente für den Kauf von Werbung – Google Ads und DV 360
  • einen Ad-Server für Verlage – DoubleClick for Publishers (DFP)
  • die Werbebörse AdX.

Die Kommission stellt vorläufig fest, dass Google auf Ebene des Europäischen Wirtschaftsraums auf den folgenden Märkten eine beherrschende Stellung innehat: auf dem Markt für Ad-Server für Verlage mit dem Dienst DFP und auf dem Markt für Instrumente für den programmatischen Kauf von Werbung für das offene Internet mit seinen Diensten Google Ads und DV 360. Der US-Player habe mindestens seit 2014 diese beherrschende Stellung missbraucht, indem er

  • seine eigene Werbebörse AdX bei der von seinem marktbeherrschenden Ad-Server für Verlage, DFP, durchgeführten Auktion zur Auswahl von Werbung begünstigt, beispielsweise indem AdX im Voraus über das beste Gebot von Wettbewerbern informiert wird, das sie schlagen muss, um den Zuschlag zu erhalten;
  • seine Werbebörse AdX im Hinblick auf die Art und Weise begünstigt, wie seine Instrumente für den Kauf von Werbung – Google Ads und DV 360 – Angebote auf Werbebörsen abgeben. So mied Google Ads beispielsweise konkurrierende Werbebörsen und gab Angebote vor allem auf AdX ab, was AdX zur attraktivsten Werbebörse machte.

Die Kommission hegt den Verdacht, dass die mutmaßlich vorsätzlichen Verhaltensweisen von Google darauf abzielten, AdX einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und möglicherweise zur Verdrängung konkurrierender Werbebörsen geführt haben. Dadurch würde die zentrale Rolle von Google auf verschiedenen Ebenen der Adtech-Branche gestärkt, sodass das Unternehmen für seine Dienste höhere Gebühren verlangen könnte. Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würden Verstöße gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.

Medien- und Werbewirtschaft begrüßt Vorgehen der Europäischen Kommission

Nachdem die Europäische Kommission Google die Beschwerdepunkte wegen eines möglichen Missbrauchs von Marktmacht im Bereich der Online-Werbetechnologie übermittelt hat, meldet sich nun auch die betroffene Medien- und Werbewirtschaft. Das Bündnis aus Spitzenverbänden der deutschen Medien-, Internet- und Werbewirtschaft, zu denen auch der Markenverband e.V. und der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. gehören, begrüßt die getroffene Entscheidung - insbesondere die für notwendig erachteten strukturellen Abhilfemaßnahmen.

Prof. Dr. Thomas Höppner, Partner der auf Medien- und Kartellrecht spezialisierten Kanzlei Hausfeld, die die Verbände in diesem Verfahren vertritt, sagt zu der Abmahnung: "Online-Werbung ist das Lebenselixier des Internets. Durch die abgemahnten Verhaltensweisen hat Google seine zentrale Rolle auf allen Ebenen der Vermittlung von Online-Werbung missbraucht. Der Digitalgigant hat Herausgeber von Webseiten (Publisher) sowie Werbungtreibende (Advertiser) massiv geschädigt, insbesondere durch überhöhte Gebühren und Erschwerung von Innovation auf dem Markt. Googles Marktmissbrauch geht letztlich zu Lasten der Medienvielfalt und der Verbraucher. Der Vorschlag, die verschiedenen Bereiche des Unternehmens aufzuspalten, ist weitreichend und in dieser Form erstmalig. Die vergangenen Verfahren gegen Google haben aber gezeigt, dass Verhaltensauflagen nicht ausreichen, um die Wettbewerbsverzerrungen zu beenden."

Dass die EU-Kommission andere problematische Verhaltensweisen von Google, die ebenfalls Gegenstand des förmlichen Kartellverfahrens sind (z.B. Googles Pläne, im marktbeherrschenden Chrome Browser sogenannte Drittanbieter-Cookies nicht mehr zu unterstützen sowie Beschränkungen im Zusammenhang mit Werbung auf YouTube), nicht zum Gegenstand der gestrigen Abmahnung gemacht hat, nehmen die Verbände zum Anlass eine klare Botschaft zu formulieren:

"Wenn wegen der Zustände im Online-Werbesektor nach Meinung der Kommission strukturelle Maßnahmen geboten sind, gebieten es wettbewerbsrechtliche Grundsätze umso mehr, die Anliegen im Bereich anderer eng verzahnter Google-Dienste weiterzuführen. Die Pläne des Konzerns für Chrome und Android sind erst recht inakzeptabel. Alle maßgeblichen Prozesse, Werkzeuge und Datenstrukturen werden in die Hände eines einzigen Unternehmens gelegt.  So richtig der Schritt der Kommission ist: Der Umsetzung der weitreichenderen Pläne von Google darf nicht zugeschaut werden, um dann, erst Jahre später, einzuschreiten. Die Kommission hat, wie gestern demonstriert, das erforderliche Rüstzeug zur Hand."

 

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vg 15.06.2023