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Marilyn Repp ist stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital Zentrums Handel - Quelle: Mittelstand-Digital Zentrum Handel

Marilyn Repp ist stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital Zentrums Handel - Quelle: Mittelstand-Digital Zentrum Handel

Metaverse

Marilyn Repp, Mittelstand-Digital Zentrum Handel: "Wir brauchen ein Technologie-Mindset"

Über das Metaverse und die Chancen für Unternehmen wird derzeit viel diskutiert. Marilyn Repp, stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital Zentrums Handel, sagt, wieso Ausprobieren und eine grundlegende Offenheit gegenüber Neuem und Innovationen zentral sind, um hier erfoglreich voranzugehen, und appelliert an die Handelsbranche, Speedboot-Projekte zu initiieren - und keine Angest vor dem Scheitern zu haben.

markenartikel: Zunächst einmal generell: Wie ist Ihre Einschätzung zum Metaverse?

Marilyn Repp: Metaverse ist gerade ein Buzzword und ein großer Hype. Hypes vergehen wieder – aber es bleibt immer auch etwas übrig. Spannend sind die Technologien dahinter: Augmented Reality, Virtual Reality, Digitaler Zwilling und Blockchain. Damit sollten sich Unternehmen beschäftigen.

markenartikel: Warum?

Repp: Was die Menschen aus dem privaten Umfeld kennen, zum Beispiel dem Gaming, erwarten sie irgendwann vielleicht auch beim Shoppen. Da geht es zum Beispiel um 3D-Ansichten von Produkten oder um die virtuelle Anprobe am eigenen Avatar. Außerdem wird das Thema Gamification immer wichtiger. Die Menschen wollen unterhalten werden und echte Wow-Erlebnisse geboten bekommen. Da bietet die Zukunftsvision Metaverse einiges an neuen Möglichkeiten.

markenartikel: Ist das Metaverse also der neue Heilsbringer für den Handel? Welche Herausforderungen bringt es mit sich?

Repp: Heilsbringer ist etwas anderes - nämlich ein Technologie-Mindset. Auch der Handel wurde in den vergangenen Jahren immer mehr zur Technologiebranche. Dabei geht es aber nicht nur um Technologie, sondern vor allem darum, die Dynamiken hinter der Digitalisierung zu verstehen. Es geht um kundenzentriertes Denken, Schnelligkeit, Ausprobieren und eine grundlegende Offenheit gegenüber Neuem und Innovationen.

markenartikel: Und diese Offenheit ist da?

Repp: In meinen Vorträgen schlägt mir oft Skepsis oder Ablehnung entgegen. Echtes Geld für digitale Kleidung ausgeben – was soll das? Wer macht das – das ist doch Mist! Dann muss ich erklären, dass es dem Markt leider egal ist, was der Handel darüber denkt. Fakt ist, dass hier Milliarden umgesetzt werden. Wer in Zukunft Business machen will, sollte also auch offen gegenüber Dingen sein, die man nicht sofort nachvollziehen kann.

markenartikel: Inwieweit verändert das den Handel?

Repp: Es ist wie mit allen Neuerungen: Chance für die einen, Stolperstein für die anderen. Chance ist es, weil der Handel neue Möglichkeiten der Kundeninteraktion, Kundenbindung und der Produktpräsentation erhält. Das gilt sowohl für den E-Commerce als auch für den stationären Handel. Ikea bietet schon seit vielen Jahren die Möglichkeit, sich durch Augmented Reality die Möbel in den eigenen Raum zu projizieren – über das Smartphone. Viele dieser Anwendungen, die wir im Zuge des Metaverse-Hypes diskutieren, sind nicht neu.

markenartikel: Und die Stolpersteine?

Repp: Eine große Herausforderung für den Handel ist sicher das Thema Direct-to-Consumer, denn immer mehr Marken verkaufen über eigene Kanäle an die Endkund:innen. Nike und Adidas waren mit die ersten, die in Games neue Zielgruppen erreichten und ihre digitalen Sneakers verkauften. Der Handel hat ja in den vergangenen Jahrzehnten schon einen gewaltigen Wandel hingelegt. Punkten werden auch in Zukunft diejenigen Unternehmen, die verstanden haben, dass der Handel nicht mehr nur Versorger ist, sondern immer mehr Erlebnisbietender.

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markenartikel: Wie sehen Sie die Anbieter denn bereits aufgestellt? Ist die Branche offen für die digitalen Neuerungen?

Repp: Ich schätze die Handelsbranche insgesamt eher als abwartend und vorsichtig ein. Das mag daran liegen, dass sie so nah an der/dem Endkonsument:in ist. Man hat Angst, durch technologische Neuerungen Umsatzeinbußen hinzunehmen und Kund:innen zu vergraulen. Die Margen sind im Branchenvergleich klein und so erscheint das Risiko hoch. Man schaut erst einmal, ob und wie es bei den anderen so läuft. Das ist das Henne-Ei-Problem: Wenn es niemand testet, können die anderen nicht davon lernen. So ist die Branche insgesamt technologisch zumeist kein Vorreiter. Allerdings haben viele Handelsunternehmen inzwischen schon verstanden, dass Technologie und Digitalisierung Matchmaking ist.

markenartikel: Welche Anwendungen sind für den Handel überhaupt interessant? Bzw. welche Entwicklungen sind besonders vielversprechend?

Repp: In Zukunft wird alles relevant sein, was ein Produkt besser erfahrbar macht. Ob ein immersives Erlebnis über Virtual Reality oder das Anprobieren digitaler Kleidung durch den Avatar: Zukünftig werden wir von fast allen Produkten ein digitales Abbild brauchen. Das funktioniert dann über den Digitalen Zwilling. Ich halte es schon heute für relevant, sich mit dem Digitalen Zwilling und seiner Darstellung Gedanken zu machen. Auch Kundenbindungsprogramme werden sich ändern.

markenartikel: Inwiefern das?

Repp: Im Moment funktioniert Punktesammeln in Silos, die nicht miteinander kommunizieren können. Mit NFT – ein Blockchain-Produkt – haben wir einen Datenstandard geschaffen, der diese Silos verlassen kann. In Zukunft kann ich meine Punkte verschenken, tauschen oder verkaufen. Kooperationen von Händler:innen mit der nahegelegenen Gastronomie oder sortimentsergänzende Dienstleistende, Kollaborationen mit Künstler:innen – all das wird möglich sein und echte Mehrwerte für die Kund:innen schaffen. Insgesamt halte ich es für wichtig, sich mit der Blockchain-Technologie zu beschäftigen. Sie ist der 'Kleber' des Metaverse, denn sie ermöglicht es, digitale Güter von der einen Webseite zur anderen mitzunehmen.

markenartikel: Die jüngeren Generationen erwarten sicher auch andere Angebote, oder?

Repp: Ja. Deshalb wird auch der gesamte Gaming-Bereich immer wichtiger. Die Kids der Generation Z sind mit Gaming aufgewachsen – für sie ist es normal, über Krypto-Wallets digitale Güter mit echtem Geld zu erwerben. Stichworte, mit denen sich Unternehmen befassen sollten, sind Gamification, In-Game-Marketing und -Käufe.

markenartikel: Es gilt also einiges zu beachten, wenn man durchstarten will?

Repp: Zunächst einmal muss man sich klar darüber werden, was man möchte. Will man neue Zielgruppen erreichen? Will man eine Community aufbauen und an sich binden? Will man seine Produkte neu und anders präsentieren? Oder einfach nur testen, was möglich ist und daraus eigene Learnings ziehen? Wir stehen immer noch ganz am Anfang und gerade im Handel und im Mittelstand gibt es noch wenige Beispiele.

markenartikel: Was sind denn Ihre Empfehlungen für den Handel?

Repp: Ich plädiere dafür, dass jedes Unternehmen eine kleine Innovationseinheit braucht, das kleine Speedboot-Projekte orchestriert. Das heißt, Projekte starten, testen, ausprobieren, verwerfen und wieder von vorne beginnen. Die meisten davon werden nicht erfolgreich sein – auch hier sind wir wieder beim Mindset-Thema. Es ist in Ordnung, wenn Innovationsprojekte nicht funktionieren. Aber wenn man es nicht ausprobiert, wird man es nie erfahren. Einige Tests werden aber auch erfolgreich sein. Dann gehört man zu den First Movern und hat der Konkurrenz bereits Wissen und Infrastruktur voraus.

markenartikel: Eines ist klar: Ohne die Nutzung digitaler Tools geht es künftig nicht mehr. Was ist Ihre Einschätzung – wie sieht die Zukunft in fünf Jahren aus?

Repp: In Zukunft wird die digitale und die echte Welt immer mehr miteinander verschwimmen. Wir werden irgendwann Brillen tragen können, die die echte Welt mit digitalen Informationen ergänzen. Auch an Kontaktlinsen und Hirnchips wird geforscht. Dann sind wir wirklich im Metaverse angekommen. Ich denke allerdings, dass das noch länger als fünf Jahre dauert! Bis dahin können Händler:innen aber auch heute schon an einem Verschmelzen ihrer digitalen und physischen Welten arbeiten.

 

Das Mittelstand-Digital Zentrum Handel ist die branchenspezifische Anlaufstelle für kleine und mittlere Unternehmen des Einzel- und Großhandels in Deutschland. Es unterstützt mittelständische Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle mithilfe digitaler Anwendungen und Technologien nachhaltig zukunftssicher zu machen. Gefördert durch die Initiative Mittelstand-Digital des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, setzt sich das Zentrum aus dem Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), ibi research, EHI Retail Institute, IFH Köln und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zusammen.

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vg 03.04.2023