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Chinesische Konzerne nehmen deutsche Unternehmen ins Visier

Deutschland bleibt das bevorzugte Investitionsziel chinesischer Unternehmen in Europa: 2015 führten chinesische Unternehmen 36 Unternehmenskäufe in Deutschland durch. Damit war Deutschland für chinesische Investoren das attraktivste Investitionsland in Europa – dicht gefolgt von Großbritannien, wo 34 Transaktionen durchgeführt wurden. Ein Jahr zuvor war der Abstand allerdings deutlich größer, als sich Chinesen bei 36 Unternehmen in Deutschland und bei 26 Unternehmen in Großbritannien eingekauft hatten.

Hinter Deutschland und Großbritannien folgten im vergangenen Jahr mit deutlichem Abstand – aber steigender Tendenz – Frankreich (20), Italien (17) sowie Spanien und Russland (12 bzw. 9) als Zielländer.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.

Gößter Deal: Verkauf der britischen Telefonica-Tochter O2 an Hutchison

Der mit Abstand größte M&A-Deal des Jahres wurde in Großbritannien angekündigt: der Verkauf der britischen Telefonica-Tochter O2 an Hutchison im Wert von 15,4 Milliarden US-Dollar. Für diese Transaktion steht allerdings noch die Genehmigung der Behörden aus. Auf dem zweiten Rang der größten chinesischen Zukäufe in Europa rangiert die Übernahme des italienischen Reifenkonzerns Pirelli durch ChemChina (8,9 Milliarden US-Dollar), gefolgt vom Kauf des Schweizer Flugzeug- und Airportdienstleisters Swissport durch die chinesische HNA Group für 2,8 Milliarden US-Dollar.

Die in Deutschland getätigten Zukäufe spielten im vergangenen Jahr noch durchweg in einer anderen Liga – zudem sind nur für zwölf der 36 Deals Angaben zum Kaufpreis verfügbar, so EY. Die größte Transaktion in Deutschland war die Übernahme der Hauck & Aufhäuser Privatbank durch den Mischkonzern Fosun im Wert von 210 Millionen US-Dollar. Auch diese Transaktion steht noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden. Anfang dieses Jahres fand dann die bislang größte Komplettübernahme eines deutschen Unternehmens durch einen chinesischen Käufer statt: der Kauf des Maschinenbauers Krauss-Maffei durch ChemChina für 925 Millionen Euro.

Chinesische Investoren kaufen sich in Europa bei 179 Unternehmen ein

Insgesamt kauften sich im vergangenen Jahr chinesische Investoren europaweit bei 179 Unternehmen ein – 2014 waren 163 Zukäufe gezählt worden. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 wurden gerade einmal 34 europäische Unternehmen von chinesischen Investoren gekauft, im Vorkrisenjahr 2007 führten chinesische Investoren insgesamt 51 M&A-Transaktionen in Europa durch.

"Chinesische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Käufergruppe auf dem internationalen Transaktionsmarkt entwickelt – inzwischen sind sie auch immer öfter in Mega-Deals involviert und zahlen Milliardensummen für europäische Konzerne", beobachtet Yi Sun, Partnerin bei EY Deutschland und Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz. "Im Zentrum des Interesses steht dabei – zumindest bei Industrieunternehmen – eindeutig Deutschland."

Dass im Vergleich zum vergangenen Jahr nur noch ein leichtes Plus bei chinesischen Übernahmen in Deutschland zu verzeichnen war, führt Sun auf den Mangel an Kaufgelegenheiten zurück – nicht auf stagnierendes Interesse auf chinesischer Seite: "Deutsche Industrie- und Technologieunternehmen genießen in China höchsten Respekt, das Interesse an den deutschen Hidden Champions ist nach wie vor sehr groß. Allerdings ist die Bereitschaft im deutschen Mittelstand, einen ausländischen Investor ins Boot zu nehmen, traditionell eher gering." Dies beginne sich jedoch zu ändern. "Die positiven Erfahrungen mit Investoren aus Fernost sprechen sich herum, daher werden wir ganz sicher künftig mehr Transaktionen in diesem Bereich sehen."

USA sind größter Investor in Deutschland

Im Ranking der größten Auslandsinvestoren in Deutschland kletterte China im vergangenen Jahr vom sechsten auf den fünften Platz: Chinesische Unternehmen waren im vergangenen Jahr – bezogen auf die Zahl der Transaktionen – der fünftgrößte Investor in Deutschland und der zweitgrößte außereuropäische Investor hinter den USA, die sich mit 158 Transaktionen in Deutschland bei weitem am stärksten engagiert haben, so EY. Zweitgrößter Investor in Deutschland war Großbritannien mit 77 Transaktionen, gefolgt von Frankreich (66). Insgesamt haben sich ausländische Investoren an 652 (Vorjahr: 685) deutschen Unternehmen beteiligt oder sie akquiriert.

Chinesische Konzerne weiter auf Shopping-Tour in Europa


Der Kurssturz an den chinesischen Börsen und die nachlassende Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in China werden nach Suns Einschätzung nicht zu einem Nachlassen der Investitionsaktivitäten chinesischer Unternehmen im Ausland führen: "Gerade jetzt wird klar, dass die chinesische Volkswirtschaft weiter modernisiert werden muss – Akquisitionen ausländischer Unternehmen stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Der schwache Euro macht europäische Unternehmen noch zusätzlich attraktiv."

Yi Sun ergänzt: "Es geht vielen chinesischen Investoren nicht mehr in erster Linie um den Zugang zu wichtigen ausländischen Märkten – dort haben sie längst einen Fuß in der Tür. Jetzt beabsichtigen viele chinesische Unternehmen, neue Geschäftsbereiche mit höhermargigen Produkten – beispielsweise im Hochtechnologie-Bereich – aufzubauen und so die heimische Wirtschaft auf ein höheres Niveau zu hieven. Eine wichtige Säule dieser Strategie sind Akquisitionen ausländischer Anbieter von Premium-Produkten." Hier seien deutsche Industrieunternehmen vielfach die erste Wahl, ergänzt Alexander Kron, Leiter des Bereiches Transaktionsberatung bei EY: "Die chinesischen Investoren sind stark an deutscher Ingenieurskunst interessiert – Made in Germany genießt nach wie vor international einen guten Ruf."

Investoren aus Fernost schätzen Industrieunternehmen

Die meisten M&A-Deals chinesischer Unternehmen in Deutschland zielten im vergangenen Jahr auf Industrieunternehmen ab – insbesondere auf Maschinenbauer, so EY. Insgesamt zwölf Transaktionen wurden in dieser Branche gezählt. Deutlich gestiegen sind die Zukäufe in den Bereichen Konsumgüter und Handel (von drei auf sechs) sowie Pharma/Gesundheitswesen (von null auf fünf). Rückläufig war hingegen die Zahl der Transaktionen im Automobilsektor – nach acht Deals im Jahr 2014 wurden 2015 nur vier Transaktionen gezählt.

Je nach Land setzen die chinesischen Investoren unterschiedliche Schwerpunkte. In Großbritannien investierten chinesische Unternehmen etwa verstärkt in Infrastrukturunternehmen (Eversholt Rail) oder in die Reise-, Freizeit- und Entertainment-Branche (Thomas Cook, City Football Group, Les Ambassadeurs Club). In Frankreich konzentrierten sich chinesische Investoren vor allem auf Weingüter und Hotels.

Den Report finden Sie hier.


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vg 01.02.2016