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Studie: Single-Haushalte in Industriesstaaten nehmen zu

In der Studie "Unter einem Dach" hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung untersucht, von welchen Faktoren Haushaltsgröße und -zusammensetzung abhängen und wie sich das Zusammenleben weltweit bis 2030 verändern wird. In der Studie wurden vier Hauptfaktoren identifiziert, die maßgeblich über die Entwicklung der durchschnittlichen Haushaltsgröße entscheiden:

1. Wirtschaftlicher Wohlstand: Mit steigendem materiellem Wohlstand einer Gesellschaft steht den Menschen im Schnitt mehr und qualitativ besserer Wohnraum zur Verfügung. Höhere Einkommen und bessere soziale Absicherung sorgen dafür, dass der Einzelne weniger von der eigenen Familie abhängt. Damit können auch ökonomisch weniger leistungsfähige Menschen wie etwa junge Erwachsene oder Ältere alleine leben. Zugleich lösen sich mit höherem Wohlstand gesellschaftliche Konventionen über die Lebensgestaltung auf. Dass junge Paare unverheiratet und ohne Kinder zusammenwohnen oder ältere Alleinstehende nicht bei ihren erwachsenen Kindern, sondern im eigenen Haushalt leben, stößt dann auf weniger Widerstand.

Je höher das Bruttonationaleinkommen je Einwohner, desto weniger Menschen leben durchschnittlich in einem Haushalt zusammen. Wohlhabende Staaten haben kleinere Familien und ihre Einwohner können sich über eine höhere Lebenserwartung freuen. Auch Ältere mit einem geringen Einkommen können es sich leisten, alleine zu leben. Vor allem zu Beginn des wirtschaftlichen Aufstiegs sinken die Haushaltsgrößen sehr rasch. In reichen Ländern reduzieren sie sich dann langsamer.

2. Kinderzahl: Je mehr Kinder die Menschen in einem Land durchschnittlich bekommen, desto größer sind die Haushalte. Familien mit sehr vielen Kindern gibt es vor allem in armen Ländern, wo die Kinderzahl je Frau (Gesamtfertilitätsrate) häufig bei über vier liegt, während sie in den Industriestaaten meist nicht mehr als zwei beträgt. In Ländern wie Japan, Spanien, Italien oder Deutschland, in denen lange eine moderne Familienpolitik gefehlt hat, bekommen Frauen im Durchschnitt nicht einmal 1,5 Kinder.

3. Religiöse Werte: Der Anteil sehr religiöser Menschen an der Bevölkerung wirkt sich ebenfalls auf die durchschnittliche Haushaltsgröße aus: Je größer die Bedeutung religiöser Werte in einem Land, desto mehr Menschen leben im Schnitt unter einem Dach zusammen. Das liegt unter anderem daran, dass religiöse Menschen mehr Kinder bekommen.

4. Bildungsstand der Bevölkerung: Mit steigender Bildung wächst das individuelle Einkommen und damit die Möglichkeit, getrennt von der Familie einen eigenen Haushalt zu gründen. Zugleich steigt das Bedürfnis nach persönlicher Unabhängigkeit. In Ländern, in denen die Menschen im Schnitt weniger als fünf Jahre eine Schule besuchen, besteht der durchschnittliche Haushalt aus mehr als fünf Personen. Wo dagegen zehn Bildungsjahre die Norm sind, leben im Mittel weniger als drei Personen zusammen.

Künftige Entwicklung der Haushalte

Basierend auf diesen Ergebnissen hat das Berlin-Institut ein Szenario für die Haushaltsentwicklung in 86 Ländern bis zum Jahr 2030 erstellt. Die Prognose: In den meisten Ländern wird die Haushaltszahl deutlich steigen. Denn erstens nimmt die Einwohnerzahl vieler Staaten weiterhin zu und zweitens dürften sich bei steigendem Wohlstand die Haushalte rasch verkleinern.

So wird in etwa der Hälfte der betrachteten Länder mit einer Zunahme der Haushaltszahl um mehr als die Hälfte gerechnet. In einigen wenigen Ländern wird es 2030 hingegen voraussichtlich weniger Haushalte geben als heute, etwa in Deutschland, Japan oder der Ukraine. Der Grund dafür ist die demografische Entwicklung hin zu  einer kleineren Bevölkerung.

Ein Blick auf 23 Länder


Über die datenbasierte Analyse hinaus stellt die Studie "Unter einem Dach" die Haushaltsentwicklung in 23 Ländern vor und liefert damit detaillierte Informationen zu (Post-)Industriestaaten wie Deutschland oder den USA, Schwellenländern wie China oder Südafrika bis hin zu Entwicklungsländern wie Nigeria oder Pakistan. Auch die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen und ihre Zusammenhänge mit der bisherigen und prognostizierten künftigen Veränderung der Haushaltsformen werden genauer analysiert. Je nach sozioökonomischem Entwicklungsstand verteilen sich die insgesamt 86 Länder auf fünf verschiedene Cluster mit für sie typischen Haushaltsformen:

Cluster 1: Vorreiter der demografischen Alterung

In Ländern wie Deutschland, Schweden oder Japan bilden Ein-Personen-Haushalte bereits die größte Gruppe aller Wohn- und Lebensgemeinschaften– in Deutschland etwa 40 Prozent. Die Bevölkerungen dieser Länder sind vergleichsweise alt, weil die Kinderzahlen niedrig und die Lebenserwartung hoch sind. Zugleich gehören diese Länder zu den wohlhabendsten der Welt.

Mit fast 40 Prozent hat Schweden einen der höchsten Anteile an Single-Haushalten weltweit. Dabei hat sich zwischen 1991 und 2011 die Zahl der Alleinlebenden in fast allen Altersgruppen erhöht. Auffällig ist, dass 2011 mehr junge Frauen zwischen 18 und 24 Jahren allein leben als gleichaltrige Männer. Demgegenüber hat sich die Zahl der alleinlebenden Männer im Alter zwischen 50 und 64 Jahren in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt. Erst ab dem Alter von 65 gibt es – nicht nur in Schweden – wieder mehr weibliche Single-Haushalte. Denn Frauen leben im Durchschnitt länger. In Deutschland gibt es etwa dreimal so viele alleinlebende Frauen ab 65 Jahren wie Männer. (Datengrundlage: Statistics Sweden)

Cluster 2: Moderne Familienformen, noch keine Vereinzelung


In einer zweiten Gruppe von Ländern, die größtenteils ebenfalls ein hohes Wohlstandsniveau verzeichnen, überwiegen (noch) die Zwei-Personen-Haushalte. Dazu zählen Frankreich, die USA oder Kanada. In den meisten Ländern dieser Gruppe steigt die Bevölkerungszahl noch. Einzelne schrumpfen bereits – zum Beispiel Russland oder Rumänien. Dort sind seit den 1990er Jahren die Kinderzahlen gesunken – allerdings nicht, weil der Wohlstand gewachsen wäre, sondern weil die wirtschaftliche Lage aufgrund der politischen Umwälzungen unsicher war.

Cluster 3: Transformationsstaaten auf dem Weg in die Moderne

In einer Reihe von Ländern, die sich derzeit rasch modernisieren, besteht die größte Gruppe von Haushalten aus drei oder vier Personen. Dazu gehören etwa die Türkei, China und Brasilien. Sie befinden sich in einer Transformationsphase, in der sich die durchschnittliche Haushaltsgröße schnell verringert, weil die Wirtschaft stark wächst und die nachwachsenden Generationen größtenteils gut gebildet sind.

Cluster 4: Aufstrebende Länder mit wachsender Bevölkerung

In vielen Ländern bilden Haushalte mit fünf und mehr Personen noch die häufigste Wohn- und Lebensform. In einem Teil von ihnen – jenen mit verhältnismäßig guten Entwicklungsbedingungen – machen sie inzwischen allerdings weniger als die Hälfte aller Haushalte aus, etwa in Nigeria, Indien oder Südafrika. Der wirtschaftliche Wohlstand in diesen Ländern ist zwar noch gering, aber sie  stehen immerhin besser da als jene Gruppe von Ländern, wo mehr als jeder zweite Haushalt aus fünf und mehr Personen besteht.

Cluster 5: Zurückbleiber bei der sozialen und ökonomischen Entwicklung

In der letzten Gruppe von Ländern, die sich bisher nur wenig gut entwickeln konnten, finden sich die traditionellsten Haushaltsformen. In Pakistan etwa wächst die Bevölkerung nach wie vor fast ungebremst, ein wirtschaftlicher Aufschwung – und damit eine Entwicklung hin zu kleineren Haushalten – ist dort in naher Zukunft kaum zu erwarten.


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rh 17.01.2014