ANZEIGE

ANZEIGE

Deutsche wünschen sich demokratischere Unternehmen

Den eigenen Chef wählen und die Firmenstrategie mitbestimmen – die meisten Deutschen wünschen sich, dass Unternehmen demokratischer geführt werden. Doch der Unternehmensalltag sieht oft anders aus: Beschäftigte beklagen einen geringer werdenden Entfaltungsspielraum. Diese Studienergebnisse haben die TU München und das ISF München vorgestellt.

Zwei Drittel wünschen sich demokratischere Unternehmen

Die Forschungsergebnisse der TU München und des ISF München bestätigen, dass die Erwartungen der Beschäftigten, die Strategien der Unternehmen und die Wirkungen neuer Organisationsformen vielfach (noch) nicht zueinander passen.

In einer repräsentativen Umfrage der TUM unter rund 1.000 Deutschen im Alter von 18 bis 65 Jahren stimmten rund zwei Drittel der Befragten ganz oder teilweise der Aussage zu, dass Unternehmen demokratischer geführt werden sollten. Attraktiv fand die Mehrzahl die Vorstellung, die eigene Führungskraft zu wählen, und mehr noch, die Firmenstrategie mitzubestimmen. Allerdings schätzten die Befragten es im Schnitt als wenig realistisch ein, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen.

Führungskräfte halten Demokratie für schwer realisierbar

Das spiegelt sich in den Einschätzungen von 45 Führungskräften, die die Wirtschaftswissenschaftler in einer zweiten Studie befragt haben: Die meisten Merkmale einer demokratischen Arbeitsorganisation werden auf der Chef-Ebene als schwer realisierbar betrachtet – vor allem die Möglichkeit der Mitarbeiter, betriebliche Daten wie etwa Gehälter einzusehen. Auffällig war, dass kleinere Unternehmen (zumindest in der Selbsteinschätzung) demokratischer agieren als größere.

Dabei zeigt eine dritte TUM-Studie, dass dies für Unternehmen zum wichtigen Faktor im Wettbewerb um Personal und Geldgeber werden kann: Merkmale einer demokratischen Organisationsstruktur wirkten positiv sowohl auf die Attraktivität als Arbeitgeber als auch auf die Entscheidung, in die Unternehmen zu investieren. Probanden waren rund 200 Studierende und Berufsanfänger sowie 78 Investoren.

"Überall dort, wo Menschen unterschiedliche Perspektiven haben, wo es wichtig ist, Wissen, das auf mehrere Köpfe verteilt ist, zusammenzubringen – da sind demokratische Verfahren sehr geeignet", sagt Studienleiterin Prof. Isabell Welpe vom TUM-Lehrstuhl für Strategie und Organisation. "Technischer Wandel alleine, der nicht unterstützt wird von sozialem und organisatorischem Wandel, kann nicht funktionieren."

Steuern nach Zahlen statt Eigenverantwortung für Mitarbeiter

Dass die technischen Möglichkeiten nicht zwangsläufig zu mehr Demokratie führen, zeigt die Forschung des ISF München. In 14 Fallstudien der derzeit laufenden Forschungsprojekte WING und Digit-DL haben die Wissenschaftler in Unternehmen mehr als 150 Tiefeninterviews auf allen Hierarchieebenen geführt. Dabei stellten sie fest, dass viele Unternehmen mit den technischen Möglichkeiten der Datenauswertung rigide auf das Prinzip Steuern nach Zahlen setzen – was selbst bei einer flacheren Hierarchie zu mehr Entscheidungsmacht an der Spitze führt. Sogar Führungskräfte auf der mittleren Ebene geben an, sich als zahlengetriebene Exekutoren von Sachzwängen zu sehen. Von mehr Kontrolle sind auch Arbeitsfelder nicht ausgenommen, die eigentlich als prädestiniert für kollaboratives und eigenverantwortliches Arbeiten gelten, wie etwa die Wissensarbeit.

Verbal besonders hochgehalten werden die Werte Transparenz, Zusammenarbeit und geteiltes Wissen, wenn Unternehmen mit Crowd- und Open-Innovation-Modellen arbeiten. Doch auch für die Mitarbeiter dieser Unternehmen bedeutet dies nicht immer mehr Entfaltungsspielraum. Stattdessen müssen sie sich vielfach gegen externe Ansprüche behaupten und erleben dies als Gefühl der Austauschbarkeit.


zurück

vg 12.02.2015