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Sexismus in der Werbung vor allem bei nicht-professioneller Werbung

Der Deutsche Werberat, Berlin, hat im vergangenen Jahr 2020 über 498 Fälle entschieden, fast ebenso viele wie 2019. Insgesamt beschwerten sich 1.343 Personen oder Institutionen bei der Selbstkontrolleinrichtung, die Anlaufstelle für Beschwerden ist und als Mittlerin zwischen Werbenden und Umworbenen fungiert. In den eingeleiteten Verfahren folgten rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums und stoppten oder änderten ihre Werbung, wenn der Werberat sie beanstandet hatte.

Im Jahr 2020 wandte sich die Bevölkerung wieder mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Werberat: Sie sahen allgemein geltende Moralvorstellungen verletzt, Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, machten Geschlechterdiskriminierung geltend, empfanden ihre Religion als verunglimpft oder kritisierten Werbung als rassistisch.

Von den 660 geprüften Fällen fielen 162 Fälle nicht in die Zuständigkeit der Selbstkontrolleinrichtung, etwa weil es sich nicht um Wirtschaftswerbung handelte, sondern um Werbung von Behörden oder Parteien. Auch für Verstöße gegen gesetzliche Werbeverbote ist der Werberat nicht zuständig. Beschwerden richten sich zudem häufiger als in der Vergangenheit gegen die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen selbst und nicht gegen ihre Bewerbung.

Den Werberat erreichen nach eigenen Angaben verstärkt Äußerungen, die anlässlich der Marktkommunikation von Unternehmen erfolgen, die aber grundsätzlich Stellung nehmen. Das Spektrum ist weit: Meinungen zur zukunftsgerechten Mobilität, zu Ernährungsfragen und zur Sexualmoral werden anlässlich der Bewerbung von Fahrzeugen, Lebensmitteln, Erotikspielzeug oder Dating-Portalen an die Werbeselbstkontrolle adressiert – allerdings nicht nur von Bürgern, sondern verstärkt von Kampagnenorganisationen oder zivilgesellschaftlichen Gruppierungen.

Der Werberat entschied über 498 einzelne Werbesujets, ein Minus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. In 126 Fällen teilte der Werberat die Kritik der Beschwerdeführer und informierte die betreffenden Unternehmen über den Verstoß gegen den Werbekodex. In 114 Fällen zogen die betroffenen Unternehmen ihre Werbung zurück oder änderten sie. Von Kritik freigesprochen wurden 372 Werbemotive, da kein Verstoß gegen den Werbekodex vorlag. Nur in zwölf Fällen reagierten die Unternehmen nicht unmittelbar auf die Beanstandung und erhielten deshalb eine Öffentliche Rüge (2019: 13 Rügen). 11 von 12 gerügten Fälle für 2020 betrafen sexistische Werbung und gingen an kleine oder mittlere Unternehmen, deren Kommunikation nicht von professioneller Seite begleitet wurde.

Inhalte der Werbekritik

‚Geschlechterdiskriminierende Werbung‘, also sexistische Werbung, Frauen- und/oder Männerdiskriminierung, steht nach wie vor an der Spitze der Gründe, warum sich die Bevölkerung mit Protesten an den Werberat wendet, in 2020 mit insgesamt 224 Beschwerdefällen (fast die Hälfte aller Fälle). Dies waren weniger Fälle als im Vorjahr (259). In fast einem Drittel der Fälle folgte der Werberat der Kritik: Er beanstandete insgesamt 71 Werbemaßnahmen wegen geschlechterdiskriminierender Inhalte. Mehr als zwei Drittel der Beschwerdefälle zu diesem Thema wurden freigesprochen (153 Fälle). Es lag kein Verstoß gegen den Kodex der Werbebranche vor.

An zweiter Stelle der Beschwerdegründe standen Verstöße der Kategorie ‚Diskriminierung von Personengruppen‘ (66 Fälle). Beschwerden in dieser Kategorie hatten 2020 deutlich zugenommen. Hier spiegelte sich die Debatte im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung wider, mit der eine höhere Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für Werbesujets, die verschiedene Ethnien abbilden, einherging. So kritisierte ein Beschwerdeführer die Darstellung eines schwarzen Mannes mit Warnweste neben einer weißen Frau als grundsätzlich diskriminierend. Der Deutsche Werberat sah von einer Beanstandung ab.

An dritter Stelle der Beschwerdegründe standen Verstöße gegen ‚Ethische und moralische Mindestanforderungen‘ mit 62 Fällen, die der Werberat anhand seiner Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation beurteilte. Weitere Beschwerdeinhalte betrafen die Nachahmungsgefahr gefährlichen oder unsozialen Verhaltens (26 Fälle), sexuell anstößige Werbung (19) sowie die Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen (17). Zugenommen haben 2020 Beschwerden in der Kategorie Werbung mit der Angst (14, Vorjahr: 3). Darin spiegelt sich eine durch die Corona-Pandemie bedingte höhere Sensibilität wider.

Am häufigsten wurde sich beim Werberat über Online-Werbung beschwert. Hier entschied die Selbstkontrolleinrichtung über 129 Fälle; mit 102 Fällen folgte die Plakatwerbung vor der TV-Werbung mit 90 Fällen.



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tor 25.03.2021