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Auch in Familienunternehmen hat die Corona-Pandemie viele Prozesse in Bewegung gesetzt und beschleunigt - Quelle: Adobe

Auch in Familienunternehmen hat die Corona-Pandemie viele Prozesse in Bewegung gesetzt und beschleunigt - Quelle: Adobe

Corona-Pandemie

Welche Krisen-Fähigkeiten Familienunternehmen gelernt haben

Deutsche Familienunternehmen haben in der Corona-Pandemie eine steile Lernkurve hingelegt, das Erlernte jedoch noch nicht vollständig in neue Prozesse umgesetzt, so ein zentrales Ergebnis einer aktuellen Untersuchung des Lehrstuhls für Familienunternehmen der WHU Otto Beisheim School of Management und der Unternehmensberatung FTI-Andersch.

„Wir haben uns dafür interessiert, wie die Familienunternehmen mit dem Erkennen und Bewältigen der Krise umgegangen sind“, sagt Professorin Nadine Kammerlander, Leiterin des Lehrstuhls Familienunternehmen an der WHU Otto Beisheim School of Management. Ihr Lehrstuhl hat 52 Interviews geführt, davon 36 mit Führungskräften von Familienunternehmen und 16 mit Marktbeobachtern und Vertretern von Nicht-Familienunternehmen. „Krisen werden oft erst zu spät erkannt. Auch im Fall der Corona-Pandemie war das so“, sagt Kammerlander.

Trotz zögerlicher Reaktion: Familienunternehmen konnten schnell ihre Abläufe umstellen
„Als Spezialisten für Restrukturierungssituationen von Unternehmen überrascht uns das zunächst zögerliche Agieren deutscher Mittelständler nicht“, sagt Mike Zöller, Vorstand der Unternehmensberatung FTI-Andersch, der die Studie aus der Praxisperspektive begleitet hat. „Vielfach gestehen sich Unternehmen sogar erst dann eine Krise ein, wenn sie schon kurz vor der Insolvenzgefahr stehen. Umso positiver ist zu bewerten, dass spätestens mit dem Beginn des ersten Lockdowns die von uns befragten Unternehmen unisono den Hebel umgelegt haben: Einrichtung von Krisen- und Lenkungskreisen, rasche Entscheidungen, schnelle Umsetzung in Handlungen. Diese Entschlossenheit ist durchaus bemerkenswert.“

Finanzierer wünschen sich mehr Offenheit

Ein Defizit haben die Forscherinnen und Forscher der WHU im Umgang mit Finanzierern festgestellt. Während sich die Familienunternehmen selbst als maximal transparent wähnten, haben Finanzierer und Marktbeobachter dies so nicht pauschal bestätigen können. „Unsere Gesprächspartner haben angegeben, dass sie durchaus auf Schnelligkeit und Transparenz gestoßen sind. Gerade hinsichtlich letzterem hätten sie sich aber mehr gewünscht.“ Ein Finanzierer hat formuliert: „Es macht keinen Sinn, den Finanzierer als Gegner zu sehen. Man sollte ihn vielmehr als Partner sehen und ihn mit einbinden. Je mehr er weiß, desto leichter können Entscheidungen getroffen werden. „Familienunternehmen stehen grundsätzlich im Ruf, eher verschwiegen zu sein“, sagt Kammerlander. „Aber gerade in einer solchen Situation wird eine pro-aktive und möglichst offene Kommunikation benötigt.“

Ein Fünftel der im FTI Resilience Barometer befragten Unternehmen in Deutschland schätzt sich selbst als finanziell ‚in Bedrängnis‘ ein (international 17 Prozent, EU: 13 Prozent). Die Hälfte berichtet von Problemen bei der Bedienung der Gläubiger in der Krisenzeit. 56 Prozent gehen davon aus, dass sie innerhalb der nächsten zwölf Monate Refinanzierungen und Restrukturierungen durchführen müssen.

Viel gelernt, aber nicht unbedingt implementiert

Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den zurückliegenden Monaten ein Vielfaches dessen neu gelernt, wozu sie sonst Jahre benötigen. „Lernen fand dabei maximal pragmatisch analog zur neuen Situation statt“, sagt Nadine Kammerlander. „Nicht das Lernen in Seminaren sondern im in der täglichen Berufspraxis wurde vielfach zum wichtigsten Prinzip.“ Ein Familienunternehmer fasst zusammen: „Oft sind es keine fundamentalen Änderungen, aber wenn man etwas an einem Fall neu gelernt hat, so verändert man bisherige Gewohnheiten.“ „Ein Nachteil von solchen Lernprozessen ist jedoch, dass sie selten verschriftlicht werden“, sagt Kammerlander. „Stattdessen sind sie an die Beschäftigten und deren verinnerlichtes methodisches Know-how gebunden. Diesen Eindruck haben auch die Interviews in dieser Untersuchung erhärtet.“

FTI-Andersch-Berater Mike Zöller rat deshalb zur Institutionalisierung adaptiver Lernprozesse. „Lernen muss reflektiert und dokumentiert werden, vor allem wenn es im laufenden Betrieb stattfindet“, sagt Zöller. „Zum Beispiel können Lenkungskreise reflektieren, welche Maßnahmen während der Krise funktioniert haben – und welche nicht. Welche Prozesse verbessert wurden, was überflüssig geworden ist, was neu erlernt werden musste. Daraus können ‚Best Practices‘ und Leitfäden entwickelt werden, um dieses Wissen strukturiert und gezielt weiterzugeben. Und vor allem müssen Prozesse nicht nur informell, sondern ganz formal angepasst werden. Unternehmen, die das gemacht haben, können in der jetzigen Situation unmittelbar auf das Erlernte anknüpfen. Für viele könnte das in den nächsten Monaten zum entscheidenden Faktor der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit werden.“
 

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tor 21.03.2022