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Geleitet wird der Verlag von Verlegerin Julia Bielenberg. Sie bildet die Geschäftsführung zusammen mit Christian Graef (re.) und Thilo Schmid - Quelle: Oetinger/ Joerg Schwalfenberg

Geleitet wird der Verlag von Verlegerin Julia Bielenberg. Sie bildet die Geschäftsführung zusammen mit Christian Graef (re.) und Thilo Schmid - Quelle: Oetinger/ Joerg Schwalfenberg

Kinderbuchverlage

Oetinger: Erlesenes für Kinder

Der Hamburger Kinderbuchverlag Oetinger gehört zu den letzten inhabergeführten seiner Art. Mit bekannten Autoren wie Astrid Lindgren, Kirsten Boie und Paul Maar ist das Unternehmen fest im Markt verankert und reagiert dabei verstärkt auf spezielle Bedürfnisse der Zielgruppen. Ein ständiger Spagat ist dabei die Markenstrategie.

Wetten, dass bei Ihnen mindestens eine der folgenden Kinderbuchfiguren schöne Erinnerungen hervorruft: Pippi Langstrumpf, Michel, das Sams, Pettersson und Findus, die Olchis, Ritter Trenk oder die Kinder aus dem Möwenweg? Gemeinsam haben alle diese Klassiker, dass sie in Büchern der Hamburger Verlagsgruppe Oetinger auftauchen, die – im Jahr 1946 gegründet – ihren Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendliteratur legt. Geleitet wird der Verlag heute in dritter Generation von Verlegerin Julia Bielenberg, die sich vor vier Jahren in der Geschäftsführung zwei Männer an ihre Seite geholt hat: Christian Graef – er kümmert sich um alle kaufmännischen Belange – und Thilo Schmid, zuständig für Vertrieb und Marketing.

Einen Kinderbuchverlag, dazu noch einer mit so sympathischen Charakteren wie den eingangs genannten, stellt man sich vielleicht als einen kuscheligen Wohlfühlort vor. Und tatsächlich, der kernsanierte historische Speicher im quirligen Stadtteil Altona – hierhin ist das Unternehmen vor anderthalb1 Jahren gezogen – strahlt mit seinen vielen Holzelementen viel Gemütlichkeit und Wärme aus. Doch altbacken ist hier nichts, im Gegenteil: Die über vier Stockwerke verteilten Räumlichkeiten stehen für ein modernes New-Work-Konzept: Feste Arbeitsplätze für die 120 Mitarbeiter gibt es bewusst nicht, stattdessen setzt man auf flexibel-vernetztes Arbeiten, das die Kreativität fördern soll: mit Hilfe von Zonen für Workshops, Brainstormings und gemeinsame Pausen.

Laptop statt Bullerbü also, was sich auch schnell im Gespräch mit dem Führungstrio bestätigt. Denn natürlich muss auch ein Kinderbuchverlag, so romantisch das Wort klingen mag, mit der Zeit gehen und sich wie ein wirtschaftliches Unternehmen aufstellen – Markenführung und Erschließung neuer Wachstumsquellen inklusive.

markenartikel: Frau Bielenberg, wie entsteht in einem Kinderbuchverlag ein Produkt?
Julia Bielenberg: Wir müssen heutzutage viel stärker unsere Zielgruppe in die Produktentwicklung einbeziehen und schauen, was im Markt funktioniert und was nicht. Dafür beschäftigen wir uns zum Beispiel damit, wie das Mediennutzungsverhalten ist, welche Charaktere ankommen und wie es um die Sprachkompetenzen bestellt ist. Die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe ist in den vergangenen Jahren deutlich enger geworden.

markenartikel: Geht das so weit, dass Sie Auftragsarbeiten an Autoren vergeben, weil die Marktanalyse zum Beispiel ergeben hat, dass gerade rote Kängurus oder ähnliches angesagt sind?
Bielenberg: Genau, wir entwickeln zum Teil eigene Konzepte für ein Buch und suchen uns dann Autoren, die für uns etwas dazu schreiben. Das ist aber nur eine Säule unseres Geschäfts – im Kern sind wir weiterhin ein Autorenverlag – im Fokus stehen also die Erschaffung von kreativem, innovativem und zielgruppengerechtem literarischen Inhalt sowie die Förderung von talentierten Autoren und eine sehr enge Zusammenarbeit mit ihnen. Wir merken aber gleichzeitig, dass wir uns immer mehr auf die Kundenbedürfnisse einstellen müssen.
Thilo Schmid: Dafür haben wir ein eigens User-Lab aufgebaut, das uns hilft, näher an der Zielgruppe zu sein. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Menschen verschiedenen Alters und mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund, die wir befragen können. Wenn wir also zum Beispiel ein neues Pappbilderbuch zum Vorlesen planen, könnten wir fragen, welche Größe das Buch haben sollte, welche Themen den Nachwuchs interessieren und wie das Buch grafisch gestaltet sein sollte, damit man es abends gut am Bett des Kindes vorlesen kann. So entwickeln wir zusammen mit der Zielgruppe ein Produkt, das dann möglichst genau zu den jeweiligen Bedürfnissen passt.

markenartikel: Basis dieses User-Labs ist eine Datenbank – oder wie kann man sich das konkret vorstellen?
Schmid: Wir haben zum einen Kontakte zu verschiedenen Schulen und Kindergärten, die wir direkt vor Ort besuchen. Zum anderen bauen wir derzeit ein digitales User-Lab auf, aus dem wir uns dann jeweils eine bestimmte Zielgruppe zusammenstellen können, die wir gerade im Fokus haben. Für uns ist es wichtig zu erfahren, was die Kinder heute interessiert, wie ihre Aufmerksamkeitsspanne ist und wie man sie überhaupt zum Lesen bekommt. Wenn wir da nicht die richtigen Stoffe finden, werden diese Kinder nie lesen, auch später im Leben nicht. Dabei ist Lesekompetenz unabdingbar für unser gesellschaftliches Miteinander und damit auch für unsere Demokratie.

markenartikel: Für einen Außenstehenden ist es fast ein bisschen ernüchternd und entromantisierend, dass man inzwischen selbst für Kinderbücher Zielgruppenanalyse betreiben muss…
Bielenberg: Es ist inzwischen eine Grundvoraussetzung, dass Autoren ihre Zielgruppe kennen. Wenn sie das nicht tun, haben sie ein Problem, weil ihre Texte nicht ankommen. Als Autorenverlag ist es uns besonders wichtig, im gesamten Buchentstehungsprozess mit unseren Autoren eng verbunden zu sein. Das heißt auch, dass wir sie bei Bedarf bei der Themenfindung unterstützen können. Viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen, etwa Astrid Lindgren und Kirsten Boie, hatten oder haben das Kind aber ohnehin in sich bewahrt und die große Gabe, in Kinder regelrecht hineinzuhören. Und am Ende kommt es ja darauf an, dass unsere Geschichten die Kinder begeistern und bewegen und sie bei der Entwicklung einer Haltung unterstützen. Deshalb finde ich es gar nicht ernüchternd, sondern vielmehr zeitgemäß und nur logisch, dass man diejenigen mit einbezieht, die man adressiert.

markenartikel: Und was ist mit der Entwicklung neuer Geschäftsfelder – ist Ihr Verlag da auch aktiv?
Bielenberg: Der Bereich Business Development spielt sogar eine zentrale Rolle, denn Storytelling findet heute längst nicht mehr nur zwischen zwei Buchdeckeln statt. Deshalb haben wir schon in der Vergangenheit frühzeitig Bereiche geschaffen, die die Verwendung unserer Inhalte in Theater, Film, in digitalen Medien, als Merchandising oder in Audio-Formaten vorantreiben. Unser größtes Kapital sind unsere Inhalte. Und für die finden wir verschiedene Wege, wie sie ihre Zielgruppen erreichen.

Das ausführliche komplette Interview ist in markenartikel 6/2022 erschienen - es geht darin u.a. um die Rolle des Verlags als Absendermarke, die Bedeutung von Erfolgsautoren sowie die Auswirkungen von Corona und Inflation. Bestellen können Sie das Heft hier.



 

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tor 29.06.2022