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Dr. Uwe H. Lebok, Vorstand (CMO) beim Marktforschungs- und Markenberatungsinstitut K&A BrandResearch, und Polina Ginzburg, Senior Brand Consultant bei K&A BrandResearch - Quelle: A.THOMAIER, K&A

Dr. Uwe H. Lebok, Vorstand (CMO) beim Marktforschungs- und Markenberatungsinstitut K&A BrandResearch, und Polina Ginzburg, Senior Brand Consultant bei K&A BrandResearch - Quelle: A.THOMAIER, K&A

Vermarktung

Diversity Marketing als Kaufgrund?

Vielfalt ist für viele Marken Teil ihrer DNA und ihrer Kommunikation geworden. Vielfalt macht das Alltagsleben aber auch komplexer. Unternehmen müssen deshalb genau prüfen, wie sie das Thema in ihre Markenführung integrieren.

Seit ungefähr 15 Jahren gehört es bei Werbetreibenden zum guten Ton, dass die Vermarktung von Produkten und Marken nicht an der ersten Stelle stehen darf. Mitunter gibt es sogar Stimmen, die fordern, dass Haltung und Purpose Werbung und Verkauf vorangestellt werden müssten. Der höhere Zweck einer Sinnökonomie stehe über einem nur nach Ertrag trachtenden Marketing.

Diversity ist eine weitere Spielart dieser Art der Markenkommunikation. Der gesellschaftliche Blick ist heute stärker auf Inklusion gerichtet. Es geht vielen Protagonisten im Marketing und Kommunikation nicht mehr nur darum aufzuzeigen, wie sich Markenverwender gegenüber anderen abgrenzen und diese gegebenenfalls ausgrenzen. Vielmehr begreift sich eine auf Diversity ausgerichtete Markenkommunikation als integrierende Komponente einer bunten, vielfältigen und offenen Gesellschaft. Diversity ist dann weniger ein "Problem" einer in Teilzielgruppen zerfallenden und damit ausgrenzenden Gesellschaft (oder Markenkommunikation), sondern ein positives Statement für eine offene, diskriminierungsfreie Gesellschaft. So die Theorie.

Wer ist "diverse"?

Eine vielfältige Gesellschaft lässt verschiedenartige individuelle Verhaltensmuster zu. Die Definition einer werte- und normenbasierten Gesellschaftsmitte fällt den Beteiligten aber auch schwerer (vgl. Lebok/Ginzburg). Der Sozialphilosoph Bourdieu (1979) spricht in diesem Zusammenhang von "Distinktionsgewinnen", die in einer sich weiter individualisierenden Gesellschaft Gesellschaftsnormen durch spezifische Lebensstile ergänzen oder ersetzen. Der Soziologe Beck betrachtete eine fortlaufende Individualisierung auch als "Risikogesellschaft", da eine Auflösung von Gesellschafts- und Verhaltensregeln zu Verlustängsten, Orientierungslosigkeit und auch zu Reaktionismus führen könne.

Das Modell der "Four Layers of Diversity" unterscheidet vier Ebenen der Diversität, die in den verschiedensten Lebensbereichen soziale und strukturelle Inklusion- und Exklusionsprozesse hervorrufen können. Kerndimensionen einer Persönlichkeit (Alter, Geschlecht, Behinderung, ethische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung) sind als innere Dimension abgebildet. Nach dem Konzept fällt es leichter, äußere, organisatorische Strukturen zu beeinflussen, als etwa innere Dimensionen. Werden Diversity und Vielfalt fortgeschrieben, resultiert daraus eine sich stetig weiter entwickelnde Individualisierung mit Maximierung der Einzigartigkeit, Reduktion von Normen und Handlungsmuster und damit einer überproportionalen Zunahme an Alltagskomplexität. Routiniertes Verhalten fällt bei stetigem Wandel in Einstellungen, Denk- und Handlungsmuster schwerer und eine laut Kahneman notwendige Alltagsvereinfachung ist über dem Autopiloten weniger leicht möglich.

Distinctiveness immer, Diversity vielleicht

Eine Einzigartigkeit in der Persönlichkeit ist nicht nur für Menschen gewünscht, sondern auch für erfolgreich geführte Marken notwendig. Marken mit eindeutiger Unterscheidbarkeit und ungestützter Dekodierung einzelner Distinctive Brand Assets tun sich leichter in mentaler Verfügbarkeit und Storytelling. Je unklarer Markensignale in der Wahrnehmung von Konsumenten mental verankert sind, je diffuser Marken für Verwendungssituationen markieren, desto weniger bieten sie Orientierung in der Zu-Vielfalt oder fördern Kaufentscheidungen.

Kaufentscheidungen und Markenwahl laufen mit minimalem geistigem Aufwand ab. Forscher der Behavioral Economics hatten mehrfach empirisch belegen können, dass nur Vereinfachungen von Entscheidungen zu Verhaltensänderungen führen. Gerade deshalb sind situative Shortcuts für unsere Entscheidungen prägend, weil wir uns dann besonders effizient auf die Entlastung durch unseren System1-Autopiloten im Gehirn verlassen können. Einstellungen, Werte, Haltung und Purpose spielen in sehr vielen Alltagssituationen eine psychologisch untergeordnete Rolle.

Um die Aufmerksamkeit unseres Gehirns zu erlangen, helfen eindeutige Brand Assets einer Marke, die die von Byron Sharp geforderte Distinctiveness unterstützen und uns in konkreten Situationskontexten daran erinnern, genau in diesem Kontext eine tauglichere, "bessere" Lösung zu sein als Alternativen.

Leider verfügen nur wenige Marken über wenige, aber unverwechselbare vier bis fünf Brand Assets wie Logo, Color Code, Schrifttypik, Visuals, Audio-Signale oder spezifische Rituale und Verwendungskontexte. Purpose und Diversity können spezifisch einer Marke zugeordnete Haltung-Assets sein, müssen sie aber nicht. Die Hamburger Biermarke Astra ist eines der wenigen Beispiele für Marken mit langer Marktbeständigkeit und einer traditionell konsequenten Kommunikationskultur, in der Distinctiveness und Diversity Teil der Marken-DNA sind: St. Pauli, der Kiez und der authentische aufmüpfige Charakter des Milieus sind zentral in der Kommunikation – und die Integration vielfältiger, polarisierender Lebensstile und damit auch von Diversity automatisch (System 1) gegeben.

Was Diversity mit Abgrenzung zu tun hat, welche weiteren Trends die Gesellschaftsmitte umtreiben und wie Unternehmen mit Diversity-Kommunikation erfolgreich sind, lesen Sie im vollständigen Gastbeitrag von Dr. Uwe H. Lebok, Vorstand (CMO) beim Marktforschungs- und Markenberatungsinstitut K&A BrandResearch, und Polina Ginzburg, Senior Brand Consultant bei K&A BrandResearch, in markenartikel 8/2022. Zur Bestellung geht es hier.

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se 02.09.2022