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Gesellschaft

Krisen sorgen für diffuse Bedrohungslage

Quelle: Martin Schemm/pixelio.de

Quelle: Martin Schemm/pixelio.de

Das auf tiefenpsychologische Methoden spezialisierte Kölner Rheingold Institut ist mit Tiefeninterviews den Ängsten und der Krisenwahrnehmung der Deutschen auf den Grund gegangen. Für das Krisen-Update im September wurden 30 Proband:innen jeweils zwei Stunden tiefenpsychologisch befragt, flankiert von Erkenntnissen aktueller Studien. Insgesamt werden im rheingold Institut jährlich rund 5.000 Menschen zu verschiedenen Themen interviewt.

Während die Marktforscher kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges eine Schockstarre konstatierten, die sich im späteren Frühjahr zu einem "Kriegs-Tinnitus" gewandelt hatte – einer weitgehend verdrängten Kriegsangst, stehen die Deutschen demnach nun am Beginn einer neuen Phase: Auch wenn die meisten Menschen noch versuchen, die sommerliche Leichtigkeit trotz anbrandender Probleme zu konservieren, so ist doch eine deutliche Veränderung im Vergleich zum Frühsommer zu verzeichnen.

"Es ist gerade diese diffuse Bedrohungslage, die ein großes Angstpotenzial zur Entfaltung bringt", sagt Psychologe Stephan Grünewald, Gründer des Rheingold Instituts.

Der extrem trockene Sommer wurde laut der Meldung in den Tiefeninterviews zum angstmachenden Sinnbild bzw. unbestimmten Vorboten für das, was die Menschen vielleicht an Mangel im Herbst und Winter erwartet. Die Dürre löste zusätzlich Versorgungssorgen aus und rückte den Klimawandel als apokalyptisches Bedrohungsszenario in den Bereich des Möglichen. Der Rhein als austrocknende Lebensader wurde darüber hinaus zum seelischen Bild dafür, dass der Fluss des Lebens versiegen kann und unsere Lebensrealität sich fundamental verändern könnte.
 
Auffällig ist, betonen die Marktforscher, dass sich in der Wahrnehmung der Menschen die verschiedenen Krisen immer mehr miteinander verschränken und dadurch nicht nur die Ängste vor "Domino-Effekten" steigen, sondern auch die Hoffnungen, verschiedene Krisen könnten sich gegenseitig relativieren. So sei zum Beispiel ein weiterer milder Winter Zeichen für die Klima-Erwärmung, gleichzeitig aber auch ein Schutz vor kalten Wohnungen und extremen Energie-Rechnungen.

"Das Leben ist für diese Menschen nicht nur zu einem finanziellen, sondern auch zu einem seelischen Balance-Akt geworden", sagt Grünewald.

Die Zuspitzung der Krise wird die gesellschaftliche Entzweiung forcieren, prognostiziert der Psychologe. Bereits jetzt werde in den Tiefeninterviews deutlich, dass die Auswirkungen der Krise ganz unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden. Ein Teil der Befragten ist verzweifelt und begegnet dem Herbst mit einer resignativen Ohnmacht. Ein zweiter Teil hat große Abstiegsängste und strampelt sich ab, um den Lebensstandard zu halten. Am oberen Rand gibt es eine Gruppe, die sich aus finanziellen Gründen das Sparen sparen können. Mitunter verdrängen sie die Krisenanzeichen, indem sie mit demonstrativem Konsum überkompensieren.
 
Viele Befragte in der oberen Mitte erleben die Krise als Drohkulisse, sie fürchten jedoch keinen massiven Einbruch ihres Lebensstandards und haben die Zuversicht, Herbst und Winter unbeschadet zu überstehen. Je mehr sich die unbestimmten Krisen- und Kriegsfolgen in Ereignissen und Teuerungen manifestieren, desto größer wird der Wunsch nach eigener Stabilisierung, Selbstwirksamkeit und angstreduzierenden Umgangsformen.

 
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sl 20.09.2022