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Werbeverbote

Gutachten hält geplante Verbote für Kinderlebensmittel-Werbung für verfassungswidrig

Quelle: WoGi/Fotolia

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Nachdem Bundesernährungsminister Cem Özdemir am 27.2. angekündigt hat, dass er an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt verbieten will, gibt es viel Kritik - unter anderem auch vom Berliner Markenverband. Nun zeigt ein Rechtsgutachten, dass die Pläne sogar rechtswidrig sein könnten. Professor Dr. Martin Burgi, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat bei der Jahrestagung des Lebensmittelverbands Deutschland am 26. April 2023 sein Gutachten zum Referentenentwurf vorgestellt, das er im Auftrag des Lebensmittelverbands und des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) erstellt hat.

"Der Referentenentwurf ist ein Dammbruch: Erstmals soll ein auch an Erwachsene adressiertes Werbeverbot implementiert werden - für Produkte, deren Herstellung und Vertrieb in keiner Weise verboten sind und die als solche auch nicht gesundheits- oder lebensgefährdend sind", so Burgi. "In vergleichbarer Weise könnte in Zukunft beispielsweise auch Werbung für Flugreisen, für bestimmte Sportarten oder für Autos mit Verbrennermotoren verboten werden."

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Das geplante Verbotsgesetz sehe massive Einschränkungen der besonders geschützten Kommunikationsfreiheiten und der Wirtschaftsfreiheiten vor. Im Bereich der Gefahrenabwehr seien solche intensiven Eingriffe nur auf Basis einer belastbaren und evidenzbasierten Gefahrenprognose möglich, so der Professor.

"Solange das BMEL keine belastbaren und nachvollziehbaren Anhaltspunkte liefert, dass Werbeverbote tatsächlich zu weniger Übergewicht bei Kindern führen, ist ein derart massiver Eingriff auf dem Boden unserer Verfassung nicht möglich", betont Burgi. "Entsprechendes folgt aus dem Europarecht."

Die massiven Eingriffe in die Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheit seien nur dann verhältnismäßig, wenn keine milderen, gleich oder besser geeigneten Mittel zur Verfügung stünden, um Übergewicht bei Kindern zu verhindern.

"Es liegen aber andere Maßnahmen auf der Hand, um die vielfältigen und wissenschaftlich belegten Ursachen für Übergewicht anzugehen, die ohne massive Eingriffe in Grundrechte Dritter auskommen", sagt Burgi.

ZAW kritisiert "Schrotschusspolitik" des BMEL

Der Referentenentwurf enthalte "eine nahezu lückenlose Aneinanderreihung von Kommunikationsverboten, die die Werbung für mindestens 70 Prozent aller Lebensmittel erfassen würde", heißt es.

"Das Gutachten beweist, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Schrotschusspolitik betreibt. Mit der Programmatik des Koalitionsvertrags hat dies schlichtweg nichts mehr zu tun. Der Entwurf übernimmt unbesehen die Kampagnenforderungen von Vorfeldorganisationen. Hier geht es nicht um sachorientierte Lösungen, sondern um paternalistische Bevormundungspolitik", so Bernd Nauen, ZAW-Hauptgeschäftsführer.

Das Gutachten zeige, dass das Vorbringen des BMEL evident unzureichend sei, um die vielfachen Eingriffe zu rechtfertigen. Nach Anwendungsbereich und Eingriffsintensität unterscheide sich der Referentenentwurf laut Burgis Gutachten signifikant von vorherigen politischen Verlautbarungen im Koalitionsvertrag.

Prof. Dr. Martin Burgi: "Statt einer evidenzbasierten Gefahrenprognose handelt es sich hier um eine reine Gefahrenvermutung ins Blaue hinein. Auf Basis einer bloß gefühlten und bislang nicht belegten Gefahr derart weitreichende Freiheitsbeschränkungen vorzunehmen, ist - soweit ersichtlich - beispielslos."

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vg 27.04.2023